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Cannabis: Ein Heilmittel wird wiederentdeckt

Marihuanablatt gegen die Sonne fotografiert.
© Braden Gunem - Fotolia.com

Das Rausch- und Heilmittel Cannabis

Was die Chinesen schon vor 4.000 Jahren wussten, bestätigen klinische Studien: Hanf enthält potente medizinische Wirkstoffe.

Von: Eva Pantleon

Joints auf Rezept?

Einen Joint auf Rezept – wird es auch künftig nicht geben. Doch erste Anzeichen sprechen dafür, dass sich der harte Kurs, den die deutsche Gesundheitspolitik gegenüber der medizinischen Verwendung von Cannabis verfolgt, ein wenig lockert.

So war es zwar nur ein kleiner, aber dennoch ein Sieg: Am 21. Januar 2011 entschied das Verwaltungsgericht in Köln, dass das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) neu zu urteilen habe – und zwar über die Klage von Michael Fischer. Der 47jährige leidet seit über 25 Jahren an multipler Sklerose, begleitet von einer schweren Ataxie – einer Störung der Bewegungskoordination. Sprechen kann Michael Fischer heute nur noch mit Mühe. Jeder Handgriff im Alltag bereitet ihm Schmerzen. Das Gehen ist nur mit medikamentöser Unterstützung möglich. Und das war für den schwerkranken Mann der Grund, vor Gericht zu ziehen: Michael Fischer klagt auf die Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis aus medizinischen Gründen.

Denn beim Einsatz herkömmlicher Medikamente gegen multiple Sklerose leidet er unter starken Nebenwirkungen. Abgesehen davon, sind diese auch nicht in der Lage, seine Ataxie zu lindern, welche ihm das Gehen unmöglich macht. Genau das aber schafft Cannabis sativa - eine der ältesten Nutz- und Kulturpflanzen der Welt. Cannabis entspannt seine Muskeln soweit, dass eine gezielte Bewegungskoordination möglich ist.

Nun könnte Michael Fischer sich natürlich entsprechende Präparate kaufen. Die dazu nötige ärztliche Ausnahmegenehmigung besitzt er schon lange. Allein – es fehlen die Mittel. Der frühere Fliesenleger ist aufgrund seiner Erkrankung frühverrentet und lebt von 850 Euro im Monat. Und das ist genau die Summe, welche die Präparate mit Medizinal-Hanf monatlich verschlingen würden. Fischer klagte bis zum Bundessozialgericht auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Und scheiterte. So blieb am Ende nur die eine Lösung: der Eigenanbau von Cannabis – und damit der Weg in die Illegalität. Denn Cannabisanbau – auch zu medizinischen Zwecken – ist in Deutschland wie in den meisten Ländern der Welt genehmigungspflichtig. Zuwiderhandlungen werden mit Geld- und teilweise auch Gefängnisstrafen geahndet. Ein Umstand, den der Rechtsphilosoph Michael Köhler bereits 2000 als „kollektiven Irrweg“ bezeichnete, der „nicht guten Gewissens weitergegangen werden kann" (siehe Ärzteblatt ).

Zulassung in Sicht

11 Jahre später scheint sich nun etwas zu tun – nicht nur mit dem Urteil aus Köln, sondern auch mit der für 2011 geplanten Zulassung von Medikamenten mit THC (Tetrahydrocannabinol), dem Haupt-Wirkstoff von Cannabis. Diese sind bisher - anders als in Großbritannien und den USA - in Deutschland nicht zugelassen, aber verschreibungsfähig nach dem Betäubungsmittelgesetz. Was in der Realität bedeutet: Patienten können lediglich Rezepturen erhalten, die direkt von den Apothekern auf Cannabis-Basis hergestellt werden. Dafür kommen Cannabisextrakte oder Substanzen mit dem Wirkstoff THC zum Einsatz. Diese Rezepturen sind von den Behörden nicht offiziell zugelassen und werden deshalb von den Krankenkassen meist nicht bezahlt. Das soll sich mit der geplanten Änderung des Betäubungsmittelgesetzes nun ändern. Denn dadurch wird es möglich, Cannabis-Medikamente in Deutschland herzustellen und für eine Therapie zu verschreiben, so die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Ulrike Flach.

Vor knapp zwei Jahren stimmten Union, SPD und FDP im Bundestag übrigens noch gegen die erleichterte Verwendung von Cannabis in der Medizin. Die Kritiker warnten damals vor allem vor dem Suchtpotenzial und zweifelten am medizinischen Nutzen. Doch inzwischen gibt es derart viele namhafte Fürsprecher für den medizinischen Einsatz von Hanf, dass Zweifel kaum noch angebracht scheinen. „Es ist an der Zeit, Cannabis aus der Schmuddelecke zu holen”, sagt etwa der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie, der Göppinger Schmerzmediziner Gerhard Müller-Schwefe. Man könnte auch sagen: Es ist an der Zeit, der Hanfpflanze in der Medizin wieder den Stellenwert zu geben, den sie bereits vor über 4000 Jahren und noch bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts hatte.

Kaiserliches Wundermittel

Bereits Kaiser Shen Nung erwähnte Cannabis als probates Heilmittel – vor etwa 4700 Jahren. Shen Nung, der als Urvater der traditionellen Medizin in China gilt, beschrieb Hanf in seinem Kräuterheilbuch als „Wundermittel“. Es helfe gegen eine Vielzahl von Unpässlichkeiten von Gicht, Malaria und Rheuma bis hin zur Verstopfung. Danach hatte Cannabis jahrtausendelang einen festen Stellenwert in der Medizin. Heiler und Schamanen setzten die Heilpflanze unter anderem gegen Migräne, Malaria und Gelenkbeschwerden ein oder um Schmerzen zu betäuben nach Eingriffen und Geburten. Noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren Cannabisprodukte in Europa und Amerika anerkannte medizinische Mittel. Das pharmazeutische Unternehmen Merck war der führende Hersteller in Europa. Die Präparate fanden vornehmlich als Schlaf- und Schmerzmittel sowie gegen Neuralgien und Rheumatismus Verwendung, wurden aber auch gegen Depressionen und Psychosen eingesetzt. Insgesamt waren in Europa damals über 100 verschiedene Cannabismedikamente erhältlich.

Zum Rauschmittel degradiert

Das änderte sich schlagartig, als Cannabis in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht nur als Rausch- und Genussmittel, sondern auch als Medikament diskreditiert wurde. Dass es um die gleiche Zeit eine forcierte Entwicklung synthetischer Medikamente gab, war wohl nicht ganz zufällig - auch andere Naturprodukte wurden in dieser Zeit vom Markt gedrängt. Doch nur wenige wurden derart verteufelt wie Cannabis, das 1925 in das 1. Internationale Opium-Abkommen von Den Haag aufgenommen wurde. Damit war es Opium, Heroin, Kokain und Morphium gleichgesetzt – und sein Schicksal besiegelt.

Was spricht nun nach heutigen medizinischen Kenntnissen dafür, diese Entwicklung - zumindest teilweise - wieder rückgängig zu machen? Offenbar einiges, wie die über 110 klinischen Studien zeigen, die seit 1974 bis heute durchgeführt wurden und an denen rund 6000 Patienten mit den unterschiedlichsten Krankheiten teilnahmen.

Cannabis in der modernen Medizin

„Ein Allheilmittel ist Cannabis natürlich nicht“, sagt Dr. Franjo Grotenhermen, Autor des Buches „Hanf als Medizin“. Doch es gebe heute sehr viele Anwendungsbereiche, wo Cannabis eine effektive und vor allem nebenwirkungsarme Medizin darstelle. Denn der größte Vorteil von Cannabis als Medikament sei seine ungewöhnliche Sicherheit. Das Verhältnis von tödlicher zu wirksamer Dosis beträgt nach Schätzungen anhand von Tierversuchsdaten bei oraler Aufnahme 20.000 zu 1, mindestens jedoch 1.000 zu 1. Es gibt keinen zuverlässigen Hinweis für den Tod eines Menschen durch Marihuana-Konsum. Cannabis habe, so Grotenhermen, daher den Vorteil, keine physiologischen Funktionen zu stören oder Organe zu schädigen, wenn es in therapeutischer Dosierung eingenommen werde.

Was die Indikationen angeht, so kristallisieren sich zunehmend drei große Bereiche heraus: Neurologische Störungen – wie etwa spastische Krämpfe bei Multipler Sklerose (MS), Epilepsie oder das Tourette Syndrom - , dann chronische Schmerzen, speziell bei Patienten, bei denen andere Schmerzmittel versagen, und schließlich Appetitlosigkeit und Übelkeit, etwa bei Krebspatienten (eine Übersicht über die Studien der letzten 5 Jahre findet sich hier).

Auch bei reaktiven Depressionen zeigt Cannabis durch die stimmungsaufhellende Wirkung gute Ergebnisse, wie viele Patienten berichten. Wobei allerdings nochmal zu betonen ist, dass es hier um eine medizinische Anwendung geht. Denn auch bei Cannabis gilt: Viel hilft nicht viel. So wirken zwar geringe Dosierungen positiv auf die Stimmung, langjähriger schwerer Konsum kann hingegen zu schweren Depressionen führen

Rausch auf Rezept?

Ist also summa summarum das „Kiffen auf Krankenschein“ vielleicht doch eine gute Idee? Gewiss nicht. Denn zwischen einer medizinischen Anwendung von Cannabis und dem Genuss zu Rauschzwecken liegen himmelweite Unterschiede. Und das ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb der Trend derzeit weg vom natürlichen Cannabis und hin zum synthetisch hergestellten Cannabis-Derivat geht (das ist es auch, was dann in Deutschland zugelassen wäre). Dieses kann nämlich nicht nur besser dosiert, sondern mittlerweile sogar völlig „nebenwirkungsfrei“ hergestellt werden, sprich: Es kann keine Rauschzustände hervorrufen.

Für den österreichischen Mediziner Dr. Kurt Blaas, Vorstand der Arbeitsgemeinschaft "Cannabis als Medizin", ist dies jedoch ein weiteres Beispiel des immer noch existierenden Stigma gegenüber dem natürlichen Hanf als Arzneimittel – welches er für unsinnig hält. Bei Einhaltung der verordneten Dosis seien solche Nebenwirkungen praktisch ausgeschlossen – zumal eine Anwendung auf alle Fälle von qualifizierten Ärzten kontrolliert werden müsse. Die Verabreichung von synthetischen Monosubstanzen sieht der Mediziner dagegen kritisch: "Sie können der natürlichen Pflanze mit ihren zahlreichen Substanzen nicht Paroli bieten". (Aus dem natürlichen Cannabis sind etwa 60 aktive, das heißt eine Wirkung auf den menschlichen Körper habende, Substanzen bekannt, die als Cannabinoide bezeichnet werden).

Für eine Legalisierung von Cannabis tritt Blaas nicht ein, wohl aber für eine Entkriminalisierung. “Wir wollen das natürliche Cannabis für die medizinische Anwendung fördern, denn dadurch ergibt sich eine breitere Behandlungspalette.”

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