Botanik: Aussehen und Herkunft von Myrrhe
Wie sieht Myrrhe aus?
© F.E. Köhler
Der Myrrhebaum ist ein bis zu 3 m hoher Strauch oder gedrungener Baum aus der Familie der Balsambaumgewächse (Burseraceae ). Von den stämmigen Ästen schält sich die silbrige Rinde in papierartigen Streifen. Da die Pflanze auf flachgründigen und trockenen Böden gedeiht, sind die Blätter klein und ledrig, um die Verdunstung zu reduzieren. Gegen Tierfraß verteidigt sich die Pflanze mit dornigen, sparrig abstehenden Ästen und mit seinen Inhaltsstoffen.
Wo wächst Myrrhe?
Heimisch ist der Spezialist für trockene Standorte in Gebieten von Nordostafrika (Somalia, Äthiopien, Kenia) bis Arabien (Jemen, Oman). Verwendet wird das Gummiharz des Baums, die eigentliche Myrrhe oder das ätherische Öl. Es wird aus dem Harz gewonnen.
Die kleinen, rispenförmigen Blüten sind rosafarben bis gelb und entstehen kurz vor der Regenzeit, sodass für die Fruchtentwicklung Feuchtigkeit zur Verfügung steht. Es entwickeln sich geschnäbelte, etwa 12 mm lange Früchte.
Der antike arabische Exportschlager
In Ägypten ist der Gebrauch von Myrrhe bereits 3000 Jahre v.Chr. belegt. Als begehrtes Gut wurde die Myrrhe über weite Strecken gehandelt und kam bis Nordafrika, China und Indien. Auf der Weihrauchstraße brachte man sie von Oman am roten Meer entlang über Syrien, Kleinasien und die Peloponnes bis nach Rom. In der Kosmetik der alten Römer war das Mittel nicht wegzudenken. Der Wohlgeruch sollte außerdem den Gestank der römischen Straßen überdecken. Dieser kostspielige Luxus war aber Göttern, Königen und Reichen vorbehalten, denn die Myrrhe war ähnlich wertvoll wie Gold, Elfenbein und Gewürze.
Bitter, aromatisch und konservierend
Der Name Myrrhe leitet sich vom arabischen Ausdruck „murr“ ab, es bedeutet so viel wie 'bitter', der charakteristische Geschmack des Produkts. Myrrhe quillt mit Feuchtigkeit, und klebt beim Kauen an den Zähnen fest.
Seit Jahrhunderten schätzt man auch den aromatischen Geruch. Man setzte Myrrhe mitunter dem Wein zu, um sein Verderben zu verhindern und ihm ein feines Aroma zu verleihen. Das Öl riecht würzig mit holzig-süßer Note. In der Aromatherapie steht die Myrrhe für Erdung, Ruhe, Entspannung, aber auch Regeneration.
Myrrhe: mit Duft gegen Krankheit und Dämonen
Der Glaube, man könne mit den guten Gerüchen auch Dämonen, Krankheit und Tod besiegen, hielt sich sehr lange. Bei den alten Ägyptern galt die Myrrhe als wirksames Mittel, um Unheil abzuwenden und das Leben zu schützen, als Balsamierungsmittel sollte sie ewiges Leben garantieren. Im Mittelalter wurde Myrrhe bei uns in den Krankenhäusern als Räucherwerk verbrannt, um das Miasma – Krankheitsdunst und Ansteckung – zu vertreiben. Die wirklichen Ansteckungswege – wie pestverseuchte Flöhe, Bakterien und Viren – kannte man noch nicht. Im 10. Jahrhundert wurde Myrrhe gegen die Pest verwendet. Man gab es außerdem Reisenden als Schutz mit auf den Weg. Nach allem was man heute weiß, war das mit Sicherheit eine sinnvolle Maßnahme.
Wie wird Myrrhe gewonnen?
Das Harz der Myrrhe wird in der Regel aus Wildbeständen – seltener aus Kulturbeständen geerntet. Erntezeit ist nach der Regenzeit, dabei wird das austretende Harz abgesammelt. Das Anritzen der Stämme erhöht zwar die Produktion, liefert aber ein minderwertiges Produkt.
An der Luft erstarrt das Material zu rotgelben bis rotbraunen Klumpen.
Myrrhae tinctura (Tinctura Myrrhe, Myrrhentinktur) ist ein Auszug des pulverisierten Harzes mit hochprozentigem Alkohol (1:5; 90 - 96 %).
Tropft man die Tinktur in Wasser, entsteht eine trübe, leicht gelb gefärbte Suspension .
Das ätherische Öl der Myrrhe gewinnt man durch Wasserdampfdestillation aus dem Harz. Nach dem Abkühlen des Destillats scheidet sich das Öl ab.
Andere Arten
Auch andere Commiphora -Arten liefern Gummiharze - mit anderen traditionellen Anwendungsschwerpunkten:
Bdelliumharz oder Falsche Myrrhe (aus der indischen C. mukul ) erniedrigt den Blutcholesterol- und Fettspiegel und ist ein wichtiges entzündungshemmendes Mittel der ayurvedischen Medizin. Sie regt außerdem die Schilddrüse an und gilt als Mittel zum AbnehmenGileadbalsam oder Mekkabalsam (aus Commiphora opobalsamum (L.)) Engl. wird ähnlich wie die Myrrhe verwendet – bei Magenbeschwerden und Infektionen, außerdem bei Fieber und bei Erkrankungen der ableitenden Harnwege.Bisabol-Opopanax (Bisabol-Myrrhe) ist in der Parfümindustrie begehrt. Als Zusatz zu Damenparfüms, Seifen- und Duftstoffen bildet sie die langsam flüchtige Basisnote.
Heilwirkung von Myrrhe
Wundpflege: das Mittel für Krieger
Herodot beschreibt die Myrrhe als Heilmittel für die Wunden der Soldaten im persischen Krieg. Mit Wein gemischt soll es außerdem betäubend wirken. Sicher war das ein erfolgreiches Verfahren, denn heute weiß man aus Tierversuchen von der schmerzstillenden und antientzündlichen Wirkung des Harzes. Der Alkohol hat die Wirkung vermutlich noch verstärkt. Man nahm das Mittel auch gegen Gicht - und Kopfschmerzen . Verkauft werden heute noch myrrhehaltige Produkte gegen Nervenschmerzen („neuropathische Schmerzzustände“). Ganz abgesehen davon hilft die adstringierend e Eigenschaft der Myrrhe, das Blut zu stillen. Daneben hält die desinfizierende Myrrhe Wundinfektionen in Schach. Behandelt wurde auch Lepra und Syphilis. Nachgewiesen ist tatsächlich eine antimikrobiell e Wirkung gegen Bakterien (Escherichia coli, Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa ) und Pilze (Candida albicans ). Außerdem wird auch das Immunsystem durch Myrrhe ordentlich angekurbelt.In Saudi Arabien ist Myrrhe auch ein beliebtes Mittel beim diabetischen Fuß-Syndrom. Die zahlreichen bereits bestätigten Teilaspekte lassen eine Wirkung annehmen, Studien zum Thema fehlen noch.
Myrrhe macht schöne Haut
In alten Zeiten diente Myrrhe in Lotionen nicht nur dazu, die Haut zu parfümieren, zu reinigen und zu befeuchten, sie sollte auch die Durchblutung anregen und die Haut straffen. Heute noch sind Kosmetika auf dem Markt, denen zum Schutz, gegen Pickel und Hautunreinheiten oder Falten Myrrhe zugesetzt wird. Auch zur Pflege rissiger Haut an Händen und Füßen oder bei Ekzem en und Problemhaut empfiehlt man traditionell Produkte mit dem Harz oder dem ätherischen Öl der Myrrhe.
Myrrhe bei Zahnfleischentzündung
Myrrhe ist auch auf der empfindlichen Schleimhaut anwendbar, die alten Sumerer behandelten sogar infizierte Zähne damit. Als Zusatz für Mundwässer, zur Spülung bei Mund- und Racheninfekten, bei Zahnfleischentzündung und anderen Zahnfleischerkrankungen, bei Mandelentzündung und Mundgeschwüren ist Myrrhe immer noch sehr beliebt. Auf Grund der desinfizierenden und entzündungshemmenden Gesamtwirkung ist ein positiver Effekt zu erwarten, wenn dies auch noch nicht durch Studien erhärtet ist.
Myrrhe & Verdauung
Im Mittelalter wurde Myrrhe für Darmkrankheiten und Cholera eingesetzt, auch heute noch ist Myrrhe als Mittel gegen Reisedurchfall aktuell. Sie soll außerdem die Verdauung stärken, Übelkeit vertreiben und bei Darmproblemen helfen. Tierversuchen zur Folge lindert Myrrhe Krämpfe und Entzündungen der Darmschleimhaut und wirkt gegen Infektion en und Würmer. In französischen und englischen Pharmakologie -Büchern wird sie zur Behandlung von Enddarmentzündung aufgeführt (Zäpfchen).
Klinische Studien zum Thema Hämorrhoiden liegen aber nur mit dem Harz der verwandten Pflanze „Falsche Myrrhe“ (Commiphora mukul ) vor.
Möglich wäre auch eine Wirkung bei Reizdarm und Nahrungsmittelunverträglichkeiten.
Myrrhe hilfreich bei Colitis ulcerosa
Colitis ulcerosa ist eine chronisch verlaufende Krankheit, bei der sich gesunde Phasen mit Krankheitsschüben abwechseln. Die Krankheit ist medizinisch schwer behandelbar und Rückfälle sind schwer vermeidbar. Das Ziel einer Therapie ist daher, die beschwerdefreie Zeit möglichst lange zu erhalten. Dass auch pflanzliche Präparate wirksam sein können, zeigt eine neue Studie aus dem Jahr 2013 [10]. Das untersuchte Präparat kombiniert drei natürliche Stoffe. Kamille unterstützt die antientzündliche und antibakterielle Wirkung der Myrrhe, die Kaffeekohle absorbiert Bakterientoxine und Flüssigkeit und bekämpft so den Durchfall . Zusätzlich wirkt Myrrhe adstringierend auf der Schleimhaut, sie wehrt so Reizungen von außen ab.
Pflanzliche Mittel wirken genauso gut wie die Standardtherapie
Während der zwölfmonatigen Studie nahmen die Patienten dreimal täglich das pflanzliche Arzneimittel (Dosierung 100 mg Myrrhe pro Tablette, Tagesdosis 300 mg) oder das Standardmedikament Mesalazin ein.
Mit dem Standardmedikament Mesalazin konnte die Krankheit so weit kontrolliert werden, dass nur 45% der Patienten während der einjährigen Studie einen Krankheitsschub erlitten. Bei dem natürlichen Medikament waren es 53%. Die statistische Analyse zeigte, dass sich die Rückfallquote nicht signifikant unterschied. Auch die Befragung nach der Lebensqualität und den Beschwerden ergab, dass die beiden Behandlungen gleichwertig waren. Zwar müssen noch größere Studien folgen, doch ist diese kleine Studie mit 96 Patienten ein Hinweis dafür, dass auch die natürliche Behandlung bei dieser hartnäckigen Erkrankung helfen könnte.
Erkältung
Dioskurides empfahl die Myrrhe bei chronischem Husten , Katarrh und Heiserkeit der Stimme. Vor allem bei Kindern mit Husten wurde Myrrhe eingesetzt. Bei Erkältung soll Myrrhe der Erleichterung von Nasenatmung und dem Abhusten dienlich sein. Leider fehlen genauere Untersuchungen. Wegen der antibakteriellen, antiviralen und immunstimulierenden Gesamtwirkung ist auch diese Anwendung nicht aus der Luft gegriffen.
Parasiten
Traditionellerweise wird Myrrhe gegen zahlreiche Parasiten eingesetzt (Fadenwürmer, Saugwürmer wie Leberegel, Pärchenegel, Darmegel, sowie Protozoen wie Trichomona, Cryptosporidium und Giardia). Ein Präparat mit einem Extrakt (Mirazid) wurde gegen zahlreiche Parasitenerkrankungen getestet. Wenn auch nicht immer eine Heilung erzielt werden konnte, wurde häufig die Parasitenlast deutlich gesenkt.
Was sonst noch erforscht wird
Einzelne Versuche lassen vermuten, dass Myrrhe den Blutzuckerwert senkt. Hohe Dosen von Myrrhe-Harz sollen sogar Krebszellen im Reagenzglas und bei Tierversuchen schädigen. Für eine Anwendung sind die Daten zu unsicher und die Wirksamkeit nicht erwiesen. Auch die traditionellen Anwendungsgebiete Gelbsucht , Müdigkeit und Schlangenbisse sind nicht belegt. Die Chinesische Medizin greift bei Blutstau zur Myrrhe. Ein injizierter Myrrheextrakt entfaltet einen antithrombotischen Effekt bei Mäusen, ob der Effekt bei oraler Aufnahme beim Menschen auch auftritt, ist nicht geprüft.
Bild-Link zu Erkrankungen, bei denen Myrrhe gesichert helfen kann
Bild-Link zu Erkrankungen, bei denen Myrrhe aus Erfahrung helfen kann
Welche Nebenwirkungen hat Myrrhe?
Die Myrrhetinktur kann auf der Mundschleimhaut vorübergehend brennen oder den Geschmackssinn beeinträchtigen. Bei Anwendung auf der Haut wurden in seltenen Fällen Hautentzündungen (Kontaktdermatitis) beobachtet. Generell gilt Myrrhe aber als ungiftiges, nicht sensibilisierendes und nicht reizendes Mittel.
Bei Einnahme von größeren Mengen im Grammbereich fehlen aber sorgfältige Erhebungen unerwünschter Wirkungen. Das Harz der verwandten Myrrhe Commiphora mukul („Falsche Myrrhe“) kann bei höheren Dosierungen (3 g pro Tag) zu Durchfall und Darmkrämpfen führen.
Wer sollte Myrrhe nicht einnehmen?
Schwangere und stillende Frauen sollten Myrrhe nicht verwenden. Die Pflanze gilt als abortiv.
Auch für Kinder liegen keine Daten vor. Da Myrrhe den Blutzuckerspiegel senken kann, ist bei Diabetikern eine sorgfältige Kontrolle des Zuckerspiegels notwendig, um Unterzuckerung zu vermeiden.
Wechselwirkungen
Myrrhe könnte mit Warfarin und anderen Cumarinen wechselwirken, indem es deren Abbau beschleunigt und die Wirksamkeit reduziert.
Praktische Anwendung: Produkte & Hausmittel
Vertrieben wird der Extrakt aus dem Harz als Tinktur oder Tabletten mit dem Myrrhepulver. Auch Mundwässer und Zahnpasta mit Myrrhezusatz sind erhältlich. Nicht zuletzt wegen des Aromas gibt es auch Duftwässer und Räucherwaren mit dem Harz. Myrrhe soll die Haut verjüngen, straffen und schützen und wird daher in zahlreichen Cremes, Lotionen und Körperpflegeprodukten verarbeitet.
Dosierung
Äußerlich: Unverdünnte Myrrhetinktur wird zwei- bis dreimal täglich auf die betroffenen Stellen aufgetragen
Innerlich: Als Mundspülung oder zum Gurgeln nimmt man bis zu 60 Tropfen Tinktur auf 1 Glas warmes Wasser.