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Nahaufnahme eines Mannes beim Niesen.
© Getty Images

Was die Klostermedizin bei Erkältungen empfiehlt

Myrrhe, Salbei, Bibernelle bei Halsschmerzen, Campher, Thymian bei Schnupfen und Eibisch bei Reizhusten.

Von: Eva Pantleon

Wenn alles fließt

Ein „Überfluss der Säfte“ sei der Grund für eine Erkältung, glaubte man im Mittelalter. Und das kann jeder, der 800 Jahre später ein Taschentuch nach dem anderen voll schnaubt, durchaus nachvollziehen. Fließen tut da schon so allerhand bei einer kräftigen Erkältung – auch wenn die moderne Medizin mittlerweile Viren und Bakterien und nicht die „überfließenden Säfte“ als die wahren Missetäter entlarvt hat. Dessen ungeachtet kannte die mittelalterliche Klostermedizin aber bereits allerhand probate Heilmethoden gegen das gefürchtete „weiße Phlegma“ - jenen „weißen, wässrigen Schleim, der vom Hirn kommend herabfließt“ (Platearius von Salerno).

Was Erkältungen begünstigt

So wusste schon Platearius, der 1150 sein berühmtes Arzneimittellehrbuch "Circa instans" zusammen stellte, was eine Erkältung begünstigen kann: „Wärme der Luft oder Kälte und Feuchtigkeit“. Heute ist auch bekannt, weshalb Wetter-Bedingungen dabei eine Rolle spielen: So ist zum Beispiel die Ansteckungsgefahr im Herbst tatsächlich am größten. Schließlich ist in dieser Übergangzeit so gut wie kein Mensch passend angezogen. Folglich sind Hände und Füße durch die feuchtkalte Herbstluft schnell mal unterkühlt – und das kann manchmal schon ausreichen. Denn durch die schlechte Durchblutung in den Extremitäten wird über einen Reflex auch die Durchblutung in Hals, Rachen und Nase eingeschränkt – und schon haben aggressive Viren ein leichtes Spiel. Außerdem mögen es insbesondere Schnupfenviren schön kalt und freuen sich über eisgekühlte Schleimhäute. Das gute alte Warmhalten ist also das Gebot der Stunde jetzt im Herbst – insbesondere wenn wir aus überheizten Räumen raus ins Freie gehen. Doch was tun, wenn es denn passiert ist?

Nur keine Panik …

Zu erst einmal: Keine Panik kriegen. Zwar schwirrt derzeit wohl jedem ein bisschen die Angst durch den Kopf, wenn die Nase trieft: Das wird doch nicht etwa … jener Virus sein, dessen Name an den kleinen pfeifenden Roboter aus den Star-Wars-Filmen erinnert: H1N1? Nein. Wird es nicht. Denn zumindest statistisch gesehen ist die „normale Grippe“ oder saisonale Influenza noch immer weitaus gefährlicher und verbreiteter als die Schweinegrippe. Und so sollten zur Therapie in den meisten Fällen, ausgenommen bei hohem Fieber, zuerst einmal pflanzliche Mittel zum Zuge kommen - wie sie zum Beispiel die Klostermedizin empfiehlt.

Denn was die mittelalterlichen Mönche und Nonnen durch empirische Beobachtungen als Heilmittel erschlossen, dem kann heute vielfach unter Laborbedingungen eine hocheffiziente Wirkweise nachgewiesen werden. Das allerdings mag so manchen verwundern – schließlich gab es vor 800 Jahren weder Mikroskope noch Laborbefunde. Andererseits aber gab es ein komplexes medizinisches System, das in vielen Aspekten den traditionellen Heilsystemen Asiens ähnelt.

4 Säfte und 4 Elemente

Das medizinische System, das der Klostermedizin zugrunde liegt, ist die Humoral- oder Vier-Säfte-Theorie. Diese geht auf die Lehren des Hippokrates und des Aristoteles zurück. Ähnlich wie in der chinesischen 5-Elemente-Lehre ging Hippokrates von dem Gedanken aus, die Erde bestünde aus vier Elementen: Wasser, Feuer, Luft und Erde. Dementsprechend teilte er Heilpflanzen als „wärmend, trocknend, kühlend oder befeuchtend“ ein. Und ähnlich dem indischen Ayurveda unterschied auch die Klostermedizin verschiedene Konstitutionstypen. Der Grundgedanke dabei war, dass der Körper aus vier Säften bestehe: Blut, schwarze und gelbe Galle sowie Schleim. Ein gesunder oder „idealer“ Körper enthalte diese vier Säfte in einem harmonischen Gleichgewicht.

Sollte jedoch einer der Säfte überwiegen, führe dies zu einer spezifischen Veranlagung. Berühmt ist in diesem Zusammenhang etwa Shakespeares „Hamlet“ – nicht nur dass er stets in Schwarz gekleidet ist und sonderliche Reden führt, im Stück wird er auch dezidiert als „schwarzgalliger“ Charakter gekennzeichnet. Und das bedeutete nach der Vier-Säfte-Theorie: von melancholischer Veranlagung. Bei einem Phlegmatiker hingegen überwiege der „träge zähe Schleim“ und beim Sanguiniker „koche“ zu viel erregtes Blut – er sei daher von überschäumendem Temperament. Nach Auffassung der mittelalterlichen Medizin hing die Lebenskraft und Gesundheit jedes einzelnen vom Gleichgewicht der vier Säfte und Elemente ab.

Was tun bei: Schnupfen?

Daher beschreibt auch Hildegrad von Bingen die Entstehung des Schnupfens wie folgt: Verschiedene Säfte seien zum Gehirn hinaufgestiegen, so „dass sich dort ein schädlicher Schleim, ähnlich einem nebligen Wasserdunst ansammelte“. Grundsätzlich unterscheidet die Klostermedizin dabei drei Stadien des Schnupfens mit entsprechenden Therapieempfehlungen:

  • Das erste Stadium ist das trockene Vorstadium mit Symptomen wie trockener Nasenschleimhaut, Müdigkeit, Frösteln und Niesreiz. Wer jetzt schnell reagiert, kann den drohenden Katarrh vielleicht noch abwenden. Das Wichtigste in dieser Situation ist, den Körper zu erwärmen. Daher wird zu Fuß- und Vollbädern, am besten mit ätherischen Ölen geraten. Außerdem sollte – um die trockenen Nasenschleimhäute zu befeuchten - mit Wasserdampf inhaliert werden, ebenfalls mit ätherischen Ölen versetzt oder schlicht mit Salzwasser.
  • Das zweite Stadium tritt ein, wenn der Schnupfen sich bereits eingenistet hat und die Nase zu laufen beginnt. Auch jetzt kommt es vor allem darauf an, die Nasenschleimhäute feucht und das Sekret möglichst dünnflüssig zu halten. Dieses soll möglichst rasch aus den Nebenhöhlen ablaufen, da sonst die Gefahr einer bakteriellen Entzündung besteht. Bester Therapietipp: Nasenspülungen mit Meer- oder Kochsalzlösungen.
  • Im dritten Stadium, wenn der Schnupfen abklingt, ist keine weitere Behandlung nötig – es sei denn, es hat sich doch eine Neben- oder Stirnhöhlenentzündung gebildet: zu erkennen an gelblichem Sekret, Kopfschmerzen beim Bücken oder klopfenden Schmerzen über der Wange. In diesem Fall ist es ratsam, einen Arzt aufzusuchen.

An Heilpflanzen empfiehlt die Klostermedizin bei Schnupfen alles, was erwärmend wirkt. Das sind unter anderem:

  • Campher, welcher mit seinen komplexen Wirkstoffen die Durchblutung der Nasenschleimhaut anregt und das Sekret der Bronchien auflöst. (Achtung: für Säuglinge und Kleinkindern nicht geeignet!) Bewährt ist zum Beispiel ein Erkältungsbalsam aus der Apotheke, der Kampher sowie Menthol, Eukalyptus oder Kiefernöl enthält. Davon 1/2 Teelöffel auf 1 Liter kochendes Wasser geben und 10 Minuten inhalieren, dann ins warme Bett legen.
  • Thymian, der stark entzündungs- und keimhemmend wirkt – als Saft, Tropfen, Kapseln oder Tee erhältlich.
  • Kamille, Latschenkiefern, Fichtennadeln, Minze und Pfefferminze – alle diese Pflanzen enthalten ätherische Öle, die entzündungshemmend (Kamille) wirken oder die Nasenschleimhaut abschwellen lassen. Am besten bei Wasserdampf-Inhalationen einsetzen. Alternativ je 1 Tropfen Minz- und Eukalyptusöl auf ein Papiertaschentuch träufeln und zwischen den hohlen Händen vor die Nase halten. Als Fertigpräparate gibt es z.B. Gelomyrtol, Eukaps oder Soledum (Apotheke).
  • Linden- und Holunderblüten (schweißtreibend, steigern Abwehrkräfte, am besten als Tee)

Bewährt sind auch Schwitzkuren, wie sie etwa das „Elsässische Arzneibuch“ von 1418 empfiehlt. Hierzu soll ein „ansteigendes Bad“ bereitet werden – bei dem die Wärme erst langsam gesteigert wird. Als Badezusatz eignen sich gut Erkältungsbadezusätze mit ätherischen Ölen, die es in der Apotheke gibt.

Was tun bei: Halsschmerzen?

Auch bei Schluckbeschwerden oder Kratzen im Hals gilt: Je früher desto besser. Eine entzündungshemmende Gurgellösung kann hier Wunder wirken. Pater Kilian Saum OSB, Co-Autor des „Handbuches der Klostermedizin“ (dem die meisten der hier gegebenen Therapieempfehlungen entnommen sind) hat hierfür ein Spezialrezept parat: Man bestelle in der Apotheke ein Lösung zu gleichen Teilen aus Myrrhen-, Salbei-, Bibernelle- und Kamillentinktur. 20 Tropfen (bei Kindern: 10 Tropfen) dieser Lösung auf ½ Glas warmes Wasser – und dann: kräftig gurgeln!

Bewährt sind auch Salbeiblätter (entzündungshemmend) als Teeaufguss oder Tinktur sowie Eibischwurzel und Malvenblätter. Letztere haben einen hohen Gehalt an Schleimstoffen und beruhigen so die gereizte Rachenschleimhaut. Anwendung: aus Eibischwurzeln oder Malven einen Tee bereiten und zum Gurgeln verwenden.

Was tun bei: Reizhusten?

Auch bei der Hustentherapie spielt die Eibischwurzel eine Rolle – vor allem in der ersten „unproduktiven“ Phase, dem Reizhusten. Hier sind wie bei der Halsentzündung alle Pflanzen angeraten, die Schleimstoffe enthalten und so einen Schutzfilm über die gereizten Schleimhäute legen. Als bewährte Teemischung empfiehlt das Handbuch der Klosterheilkunde folgende Mixtur:

- 25 g Spitzwegerichblätter

- 25 g Eibischwurzeln

- 25 g Königskerzenblüten (Verbasci flos)

- 25 g Malvenblätter- und blüten.

1 Esslöffel Teemischung mit 1 Tasse kaltem Wasser übergießen, erwärmen und 5 Minuten ziehen lassen. Mit Honig gesüßt mehrere Tassen täglich trinken. Alternativ ist in der Apotheke ist auch Spitzwegerichhustensaft erhältlich.

Was tun bei: Schleimhusten?

In der zweiten Phase, wenn der Husten dann „produktiv“ wird, gibt es vor allem ein Kraut, das wahre Wunder wirkt: Thymian. „Schon der griechische Arzt Dioskurides schrieb im 1. Jahrhundert n. Chr. in seinem berühmten Arzneibuch 'Materia medica', dass Thymian-Tee mit Honig bei Erkrankungen der Atemwege helfe und den Auswurf fördere», erklärt Dr. Johannes Gottfried Mayer, Sprecher der Forschungsgruppe Klostermedizin der Universität Würzburg und Co-Autor des Handbuches der Klosterheilkunde.

Verantwortlich dafür ist unter anderem das im Echten Thymian (Thymus vulgaris L.) enthaltene ätherische Öl. «Die Wirkstoffe des Thymians haben antivirale und antibakterielle Eigenschaften und können so die Krankheitserreger direkt bekämpfen», erklärt Mayer.

Besonders wirksam ist Thymian im Zusammenspiel mit einem seiner Verwandten: dem Quendelkraut, auch wilder Thymian genannt. Eine Mischung (50:50) aus beiden ergibt einen leicht bitteren Tee, der Hustenbeschwerden schnell und deutlich lindert (Tagesdosis: 4-6 Gramm Droge – 1 Teelöffel entspricht etwa 1,4 Gramm). Weitere Schleimlöser, die man als Tee verwenden kann, sind Andornkraut und Bibernellwurzel.

Was tun bei: fiebriger Erkältung?

Und was tun, wenn bei allem Übel auch noch Fieber auftritt? Erstmal nicht viel. Denn eigentlich ist Fieber eine hocheffiziente Einrichtung der Natur: Es unterstützt die Immunabwehr – denn durch den Anstieg der Körpertemperatur schafft der Körper ein ungünstiges "Klima" für Viren. Fieber hilft also bei der Bekämpfung von Krankheiten und muss nicht unbedingt behandelt werden. Vielmehr ist es ratsam, den Körper zunächst bei der Abwehrreaktion zu unterstützen: Dazu gehören erhöhte Flüssigkeitszufuhr und körperliche Schonung (Bettruhe). Hält das Fieber aber über einen längeren Zeitraum an oder steigt über 39 Grad, sollte unbedingt ein Arzt hinzugezogen werden. Dieser kann - wenn nötig - fiebersenkende Maßnahmen einleiten, was wahrscheinlich aus Medikamenten wie Ibuprofen oder Paracetamol bestehen wird. Die Klostermedizin würde hier eher zu Folgendem raten:

  • einer Schwitzkur in Form von Bädern mit ansteigender Temperatur
  • schweißtreibenden Tees wie Holunder- oder Lindenblütentee (mindesten 1 Liter heißen Tee trinken!)
  • oder aber zu den guten alten Wadenwickeln (Achtung: nicht bei Kleinkindern bis 4 Jahren): Dazu 2 große Herrentaschentücher oder Küchenhandtücher in lauwarmes Wasser (Nicht kaltes, denn die Kühlung entsteht durch die Verdunstung des Wassers!) tauchen und nur leicht auswringen. Eines nun vom Knöchel bis zum Knie locker um jede Wade legen und erneuern, sobald die Tücher sich erwärmt haben. Mit dieser Prozedur zirka 15 Minuten fortfahren. Achtung: Die häufig zu lesende Empfehlung, die feuchten Tücher noch mit weiteren Handtüchern oder sogar Plastikfolien umzuschlagen, ist falsch! Wärmeentzug findet nur statt, wenn das Wasser aus dem Wickel verdunsten kann. Anderenfalls bildet sich eine Dunstglocke, die die Wärme anstaut! Der Wadenwickel wirkt dann eher wie ein Taucheranzug – das heißt, er hält oder steigert sogar die Temperatur, die vorhanden ist!
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