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Herbst- und Winterdepression: Was hilft?

Frau im Wollpullover schaut auf den See und schlägt der Herbstdepression ein Schnippchen.
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Wenn die dunkle Jahreszeit auf's Gemüt schlägt

Es gibt viele Möglichkeiten, um der trüben Stimmung ein Schnippchen zu schlagen. Neben Lichttherapie und Bewegung im Freien haben sich auch Heilpflanzen bewährt. Außerdem im Experten-Video: Wie wichtig ist Vitamin D?

Von: PhytoDoc-Redaktion

Von: PhytoDoc Redaktionsteam

Dieser Artikel ist eine Gemeinschaftsarbeit des dreiköpfigen Redaktionsteams. Er wurde sorgfältig auf Basis der aktuellen, medizinischen Fachliteratur erstellt und mit viel Leidenschaft und Expertise für die Naturheilkunde ergänzt. Dabei obliegt die fachliche Endprüfung dem ärztlichen Leiter Dr. med. Berthold Musselmann.

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SAD: Heißhunger nach Licht und Süßem

Auch wenn Herbst und Winter durchaus reizvolle Aspekte zeigen, fehlt dennoch in den Monaten dieser Jahreszeiten etwas Entscheidendes: Licht! So beginnt – häufig von grauen Wolken und Nebel geprägt – ein Arbeitstag meistens in der Dämmerung und endet, nach einem langen Tag im Büro, oft erst nach Einbruch der Dunkelheit. Vielen schlägt dieser ständige Lichtmangel aufs Gemüt. Die Betroffenen klagen über Beschwerden wie gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit, vermehrtes Schlafbedürfnis sowie gesteigertes Verlangen nach Süßem und Kohlehydraten – Gewichtszunahme inklusive. Bezeichnet wird dieser Zustand als Herbst- oder Winterdepression, beziehungsweise als saisonal abhängige Depression (SAD). Es handelt sich hierbei um eine von vielen unterschiedlichen Depressionsstörungen, die sich zunehmend verbreitet.

"Das kommt auch daher, dass wir heute in hohem Maß ein Leben in geschlossenen Räumen führen", erläutert Dr. med. Musselmann, Allgemeinmediziner und Arzt für Naturheilverfahren dazu. Regelmäßig im Herbst beginnend, verschwindet sie spontan im Frühling. Bei den meisten macht sie sich zum ersten Mal in den Zwanzigern bemerkbar und wird mit zunehmendem Alter stärker. In südlichen Ländern tritt sie seltener auf, als im Norden. Frauen scheinen viermal häufiger von diesem Phänomen betroffen zu sein. 

Aber, abgesehen davon, wie entsteht sie? Und was hilft?

Ursachen der Winterdepression

Als Ursache für die Herbst- und Winterdepressionen wird eine Störung bestimmter Neurotrans­mitter vermutet. Das sind Botenstoffe im Gehirn, die für die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit, für Stimmung und Ähnliches zuständig sind – am häufigsten diskutiert werden Melatonin und Serotonin. Da in den dunklen Monaten für das Gehirn die Tage einer einzigen langen Nacht gleichen, schüttet es mehr von dem Schlafhormon Melatonin aus, woraufhin der Körper einen Gang runterschaltet, eine Art milder Winterschlaf.
Melatonin ist seinerseits ein Abbauprodukt des Neurotransmitters Serotonin, einem Botenstoff, der im Gehirn quasi als ‚Glücksbote’ fungiert. Je mehr Melatonin ausgeschüttet wird, desto mehr sinkt der Serotoninspiegel. Insbesondere bei der SAD wird dieser niedrige Serotoninspiegel für die depressive Symptomatik verantwortlich gemacht. Dass dem Körper bei Herbst- und Winterdepressionen Serotonin fehlt, äußert sich in dem auffälligen Kohlehydratheißhunger und einer daraus folgenden Gewichtszunahme. Süßigkeiten lassen den Serotoninspiegel ansteigen. So betrachtet ist Naschen dann fast schon eine Form von Selbstmedikation.

Will der Körper Winterschlaf?

Eine weitere Vermutung dafür, wie die SAD entsteht, wird auf unsere Entwicklungsgeschichte zurückgeführt. Wenn auf unsere Vorfahren die kalte Jahreszeit zukam, bedeutete das für sie weniger Nahrung und unwegsames Gelände. Dass zu solchen Zeiten der Körper auf Sparflamme umschaltete, war wahrscheinlich eine sinnvolle Strategie – schließlich halten auch einige Tiere Winterschlaf. Den Befehl, Winterschlaf zu halten, erhält der Körper von der Zirbeldrüse. Diese sitzt in unserem Gehirn, ist nur fingernagelgroß und sehr lichtempfindlich. Sie produziert das Hormon Melatonin, das – wie schon erwähnt – mitverantwortlich ist für unseren Schlaf­rhythmus und, bei höherer Konzentration, den Antrieb lähmt und einschläfernd wirkt. So entsteht also die entwicklungsgeschichtliche Gleichung:

weniger Licht = mehr Melatonin = Winterschlaf.

Das moderne Arbeitsleben allerdings ist mit diesem biologischen Programm sehr schlecht verträglich. Wir arbeiten gerade im Winter oft viel mehr, als uns gut täte, die moderne (Selbst-) Ausbeutung lässt uns aber meist keine Pause. Dabei sind wir durch einen im Winter erhöhten Melatoninspiegel zwar latent dauermüde, aber nicht erholt. Uns fehlt nämlich ein signifikanter Anstieg von Melatonin, wie er nach einem hellen Sommertag entsteht: Durch viel helles Licht früh am Morgen im Sommer wird der Melatoninausstoß der Zirbeldrüse tagsüber gehemmt. Dafür steht abends viel mehr Melatonin zur Verfügung und wir können gut runterfahren, entspannen und einschlafen. Daher ist Frühsport besonders im Sommer auch sehr gut für die Regulation des Schlafes. Im Winter fehlt aber das dringend benötigte Licht.

Das führt zu einem weiteren großen Problem im Winter in Nordeuropa:

Vitamin D, aufgrund der Breite, des Mechanismus und der Stärke seiner Wirkungen eher als Hormon zu bezeichnen, sinkt bei Menschen, die im Winter im Norden leben, deutlich ab. Es bestehen zwar Reserven in der Leber, aber meist nicht genug. Außerdem sind sie bald aufgebraucht. Über die Hälfte der Bevölkerung in Nordeuropa hat suboptimale Spiegel und häufig einen behandlungsbedürftigen Mangel an Vitamin D. Besonders betroffen sind gerade Menschen aus Afrika, Menschen dunkler Hautfarbe, aktuell viele Flüchtlinge, die genetisch an wesentlich mehr Sonnenlicht adaptiert sind als Hellhäutige. Nach den Erfahrungen in der Praxis von Dr. Musselmann leiden über 90 % der türkischstämmigen und südeuropäischen Menschen unter behandlungsbedürftigem Vitamin-D-Mangel, wenn sie in Deutschland leben. Dies ist viel zu wenig bekannt und hat erhebliche Auswirkungen auf das Wohlbefinden:

Durch Vitamin-D-Mangel verschlechtert sich ebenfalls die Stimmung, was sicher zur Entstehung der SAD beiträgt. Außerdem funktionieren Immunsystem, Herz-Kreislauf und Knochenstoffwechsel schlechter. Das Krebsrisiko kann bei langjährigem Mangel ansteigen.

Behandlung: Lichttherapie, Vitamin D & Heilpflanzen

Wie kann man nun eine Herbst- und Winterdepression behandeln? Winterschlaf zu halten, entspricht jedenfalls nicht unserem heutigen Lebensstil, denn, in der Regel müssen wir das ganze Jahr über Leistung bringen. Auch wenn sich unser Körper im Winter nach Ruhe sehnt, sieht das der Arbeitgeber sicher ganz anders. Sich mit Süßigkeiten auf Trab zu halten, ist auf die Dauer auch keine gesunde Lösung. Manchmal werden bei SAD Medikamente wie beispielsweise Antidepressiva verschrieben.

Fiat lux - es werde Licht!

Aber es gibt eine viel einfachere und kalorien­ärmere Therapie: mehr Licht! Wer die Zeit dazu hat, könnte morgens, sobald die Sonne aufgegangen ist, einen Spaziergang machen und den Tag mit einer Lichtdusche beginnen. Im Freien bringt es auch ein bedeckter Himmel auf ein paar Tausend Lux Beleuchtungsstärke. Damit wird die Melatoninbildung ein wenig gehemmt. Richtig wirksam aber sind 10.000 Lux und mehr für mindestens eine halbe Stunde, was in Nordeuropa von Oktober bis März nicht zu bekommen ist.

Außerdem fehlt UV-Strahlung, um Vitamin D zu produzieren. Daher empfiehlt Dr. Musselmann, den Vitamin-D-Spiegel einmal jährlich messen zu lassen und Defizite zu beheben. Außerdem: Lichttherapie bei Menschen mit deutlichen Symptomen.

Lichttherapie gegen Winterdepressionen

Leider haben die meisten von uns für Bewegung im Freien keine Zeit und verbringen die Morgenstunden schon im Büro, wo meist eine Lichtstärke von 500 Lux nicht das Gleiche bewirken kann. Zudem reicht spätestens ab Ende Oktober in unseren Breiten die Lichtstärke im Freien noch nicht einmal bei Sonne aus. Wie Dr. Musselmann erklärt, bietet hier eine Lichttherapie (auch Phototherapie genannt) Abhilfe. Sie basiert darauf, dass man sich am besten frühmorgens, spätestens bis 14h, für mindestens eine Stunde unter eine Speziallampe mit einer Intensität von 5000 Lux (eine halbe Stunde bei 10000 Lux) setzt. Dabei sollte man lesen, telefonieren o.Ä., damit die Augen während des Lichteinfalls offen bleiben. Alle ein bis zwei Minuten sollte für ein Sekunde in das Licht geblickt werden. Gelegentlich genügen bereits einige Wochen Behandlung, um für den ganzen Winter gegen depressive Verstimmungen gefeit zu sein. Meist ist aber in den dunkelsten Kernmonaten die Behandlung dauerhaft nötig. Der tägliche Gang zum Arzt ist dabei nicht notwendig, denn die Speziallampen sollten für die Behandlung angeschafft werden. 

Übrigens senkt auch Kaffee den Melatoninspiegel und bringt den Glücksboten Serotonin auf Trab. Eine weitere kalorienarme Maßnahme kann daher auch hin und wieder eine Tasse Kaffee darstellen.

Doktor Blatt

Bei mittel- bis schwergradigen Depressionen, die die Schwere einer leichten „SAD“ überschreiten ist immer die Ärztin/der Arzt einzubeziehen in die Behandlung. Es sind unter Lichttherapie bei schwer Depressiven vermehrt Selbstmorde vorgekommen, da in den ersten Tagen bis zwei Wochen der Therapie die Energie und Aktivität zwar gut zunimmt, aber noch nicht immer die Stimmung besser wird. Die Stimmungsverbesserung setzt wie bei Johanniskraut und vielen Antidepressiva (über den Neurotransmittermechanismus, z.T. Serotonin) meist mit einer Verzögerung von 10-21 Tagen ein.

Vitamin D muss ausreichend vorhanden sein

Über die Hälfte der Bevölkerung in Nordeuropa hat suboptimale Spiegel und häufig einen behandlungsbedürftigen Mangel an Vitamin D. Lassen Sie daher Ihren Blutspiegel messen, um festzustellen, ob Sie Vitamin D als Nahrungsergänzung benötigen.

Warum ist Vitamin D bei SAD wichtig?

Vitamin D ist unter anderem für die Ausschüttung von Nervenbotenstoffen zuständig. Diese Stoffe sind unentbehrlich, sorgen sie doch für das Überleben der empfindlichen Nervenzellen und deren Zellverbindungen. Calcium überträgt die Nervensignale und Vitamin D wiederum reguliert den Calciumspiegel im Gehirn. Wird dann zum Beispiel durch Vitamin-D-Mangel zu wenig Serotonin gebildet, verschlechtert sich die Stimmung.

Ist Vitamin D eine Wunderwaffe?

Leberkur im Herbst

Mariendistel ist die perfekte Heilpflanze für die Leber. Kurweise Mariendistelkapseln, Vitamin B und C, Zinkorot 25 u.a. Spurenelemente und Vitamine für die Leberentgiftung und allgemeine Abwehrsteigerung einnehmen. Lassen Sie sich dabei von einem kompetenten Therapeuten begleiten (Blutspiegelmessung, individuelle Optimierung). Keine unkontrollierten Langzeittherapien.

Heilpflanzen für die Seele

Nach Rücksprache mit Ihrem Arzt kann eine Therapie mit Johanniskraut oder L-Tryptophan als sehr gut verträgliche, nicht abhängigmachende Antidepressiva erfolgreich sein. L-Tryptophan wirkt außerdem gut bei bestimmten Formen der Schlafstörung. Die Therapie muss aber ärztlich begleitet und zeitlich begrenzt sein. Nebenwirkungen, z.B. auf das Herz, sind bei längerer Anwendung von L-Tryptophan möglich. Johanniskraut eignet sich für viele Formen der Depression, nicht nur SAD. Begleitend sind oft andere Phytopharmaka sinnvoll, lassen Sie sich von kompetenten TherapeutInnen beraten.


Tipps für den Alltag: So beugen Sie Herbst- bzw. Winterdepressionen vor!

Was aber tun, damit es erst gar nicht soweit kommt? Hier finden Sie ein paar Tipps von Dr. Musselmann zur Vorbeugung:

  • Bewegen Sie sich viel im Freien! Um eine Wirkung zu erzielen, sollte es mindestens eine halbe Stunde täglich, auch bei schlechtem Wetter sein. Sport wirkt deutlich antidepressiv. Vielleicht denken Sie sich eine Belohnung für danach aus, um Ihren inneren Schweinehund dazu zu überwinden. Nusszartbitterschokolade hat z. B. (in Maßen, also etwa 50 g am Tag) weniger Kalorien, trägt besser zur Stimmungshebung bei und ist gesünder als Milchschokolade.
  • Noch besser ist es natürlich, einige Tage im Schnee oder in der Sonne am Meer zu verbringen. Durch Reflexion des Lichts kann bei Schnee oder Wasser auch die Lichtstärke im Winter an manchen Tagen ausreichend sein. Natürlich um so mehr, je weiter südlich der Ort liegt. Am besten mit der Bahn anreisen, dann ist es entspannter und nachhaltiger.
  • Achten Sie auf Ihre Ernährung! Zu viel Naschen schlägt sich in Form von Hüftgold nieder. Besonders gut sind kalorienarme Kost, viel frisches Obst und Gemüse. Doch hin und wieder ein Stückchen Kuchen dürfen Sie sich gönnen.
  • Auch wenn es schwer fällt: minimieren Sie den Alkoholkonsum, stellen Sie die Ernährung auf vitaminreiche Nahrung um.
  • Trinken Sie viel! Spezielle Kräutertees wärmen Bauch und Seele.
  • Machen Sie regelmäßige Saunagänge! Ein Saunagang ist nicht nur gut für die Durchblutung und Stimmung, sondern stärkt das Immunsystem, genauso wie kalt-warme Wechsel­duschen und Kneipp'sche Anwendungen.
  • Umgeben Sie sich mit belebenden Farben! Fröhliche Farben wirken manchmal schon Wunder. Auch bunte Kleidung kann helfen, die Stimmung zu verbessern.
  • Nutzen Sie die Wirksamkeit der Düfte! Geeignet sind Bergamotte- und Jasminöl in einer Aromalampe und viele andere angenehme Düfte. Allergien beachten.
  • Hören Sie flotte Musik! Am besten, Sie bewegen sich ein wenig im Rhythmus dazu. Jede Bewegung mindert Ihre Herbstdepressionen.
  • Wunder wirkt auch oft die Gesellschaft anderer Menschen.
  • Denken Sie positiv! Auch bei SAD spielen Ihre Einstellungen eine wichtige Rolle. Wenn Sie sich einreden, dass jetzt die dunkle, schwere Jahreszeit kommt oder dass Sie Ihren Gefühlen wehrlos ausgeliefert sind, kann das Ihre depressive Stimmung ver­schlimmern.

Dr. med Berthold Musselmann ist Arzt für Allgemeinmedizin mit Ausbildungen in Naturheilverfahren (1991-97), Chirotherapie (1990-92) und Umweltmedizin (1996-97). Dr. Musselmann gründete 1992 eine eigene Praxis in Wiesloch und wurde 2000 Lehrbeauftragter für Allgemeinmedizin an der Universität Heidelberg. Bei PHYTODOC ist er seit 2006 Ressortleiter des Themenschwerpunkts "Erkrankungen".

Quellen/Weitere Informationen

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