Botanik: Aussehen und Verbreitung
Die Weißbeerige Mistel (Viscum album ) aus der Familie der Sandelholzgewächse (Santalaceae ) ist ein halbschmarotzender immergrüner Halbstrauch, der auf den Ästen von Bäumen wächst. Er deckt seinen Energiehaushalt teilweise durch eigene Photosynthese, entnimmt dem Wirt aber Nährstoffe und Wasser. Er zählt damit zu den Halbschmarotzern.
Die Wuchsform ist typischerweise kugelig und die Pflanze erreicht einen Durchmesser von bis zu einem Meter. Misteln besitzen ledrige, gelbgrüne Blätter, unscheinbare Blüten und klebrige, kugelige, weißlich-glasige Scheinbeeren. Die Samen werden durch Vögel verbreitet, hauptsächlich durch die Misteldrossel. Insgesamt zählen bis zu 20 Vogelarten zu den Verbreitern.
© O. W. Thomé
Die Mistel hat verschiedene Unterarten entwickelt, die zwar gleich aussehen, sich aber auf bestimmte Wirte spezialisiert haben: Laubbäume, Kiefern und Lärchen oder die Tanne. Das Verbreitungsgebiet von Misteln reicht von Europa bis Asien. Sie wird am Wildstandort geerntet.
Die Präparate zur medizinischen Verwendung stellt man überwiegend aus dem frischen oder getrockneten Kraut (Visci herba ) oder den Blättern (Visci folium ) her.
Die Zauberpflanze
Die Mistel gehört zu den ältesten Zauberpflanzen. Schon die Priester der Kelten (Nachfahren der Gallier) nutzten die Mistel für ihre Riten. Bekannt wurde diese Sitte durch „Asterix und Obelix“. Auch für Fruchtbarkeit ist sie ein Symbol. In England hält sich seit dem 19. Jahrhundert der Brauch, in der Weihnachtszeit einen Mistelzweig über die Tür zu hängen, in Frankreich an Sylvester. Ein Kuss darunter soll die Partnerschaft segnen. Da die Mistel in Deutschland nicht unter Naturschutz steht, darf sie zu privaten Zwecken gesammelt werden - mit der Voraussetzung, dass der Baum auf dem sie wächst nicht beschädigt werden darf.
Früher vielseitig verwendet
Der weißbeerige Halbschmarotzer wurde früher vielseitig verwendet: Man setzte ihn in großem Umfang als Tierfutter und in Notzeiten in Form des Mistelmehls als Nahrungsmittel ein. Auch zur Herstellung von Leim für Leimruten beim Vogelfang verwendete man Mistelbeeren.
Misteln sind giftig für Hunde und Katzen, Pferde sowie für Nagetiere.
Ist die Mistel geschützt?
Auch wenn dies häufig geschrieben steht, Misteln stehen nicht unter Naturschutz . Zu privaten Zwecken darf sie in geringer Menge geerntet werden unter dem Vorbehalt, dass der Baum dabei nicht beschädigt wird. Am besten man fragt den Baumbesitzer. Gewerbsmäßiges Sammeln ist dagegen an behördliche Genehmigungen geknüpft.
Sind Misteln schlecht für Bäume?
In Steuobstbeständen kann die Mistel Probleme bereiten und sollte dort regelmäßig beschnitten werden. Denn: Trockenheit und Hitze haben den Obstbäumen in den vergangenen zwei Jahren besonders stark zugesetzt. Der Sprecher des NABU-Bundesfachausschusses Streuobst, Dr. Markus Rösler, rät Baumbesitzern folgendes: „Wird die Laubholzmistel nicht entfernt, entzieht die kugelförmige Pflanze dem Wirtsbaum mit ihren Saugwurzeln lebenswichtiges Wasser und Nährstoffe. Kommen Trockenheit oder mangelnde Düngung dazu, können Misteln den bereits geschwächten Baum im Extremfall sogar vollends zum Absterben bringen.“ [7] Durch die Baumpflege wird also die Vitalität der Bäume geschützt und Streuobstwiesen bleiben als artenreicher Lebensraum erhalten.
Welche Teile der Mistel werden pharmazeutisch verwendet?
Man sammelt die Blätter und Zweige vor der Fruchtbildung, für bestimmte Zubereitungen auch die jungen Zweige mit Blättern, Blüten und Früchten. Da Inhaltsstoffe der Wirtspflanze von den Halbparasiten aufgenommen werden können, sollte bei der Ernte auf die Wirtsart geachtet werden.
Die Herstellung von Fertigarzneimitteln zur Injektion aus dem Press-Saft oder wässrigen Auszügen aus frischem Mistelkraut erfolgt durch pharmazeutische Firmen. Detaillierte Angaben zur Herstellung sind nicht zugänglich.
Phytotherapeutische Präparate werden auf einen bestimmten Gehalt an Mistellektinen eingestellt.
Heilwirkung von Mistel
Mistel-Präparate kommen in zwei verschiedenen Darreichungsformen zum Einsatz: Einmal als Injektion zur unterstützenden Krebstherapie und als orales traditionelles Arzneimittel zur Kreislauf-Unterstützung.
Im Kontext der onkologischen Anwendung wird bei Mistel eine unspezifische Immunstimulation angenommen. Im Zeichen der Corona-Pandemie ist daher das Interesse an Mistel-Präparaten neu erwacht, auch wenn diese nicht für diese Indikation zugelassen wurden (so genannter Off-Label-Use). Bei Abgeschlagenheit und zur Rehabilitation werden standardisierte Misteltropfen gerne von Therapeuten verschrieben.
Orale Misteltherapie
Für Misteltropfen gibt es eine jahrzehntelange Anwendungstradition in der Volksmedizin zur Unterstützung der Herzkreislauf-Funktion (auch blutdrucksenkende Eigenschaften werden dem Mittel zugeschrieben). Diese Wirkung ist bisher noch nicht durch Studien am Menschen wissenschaftlich abgesichert, Labor- und Tierversuche liefern aber erste positive Daten.
Bei Misteltee konnten die blutdrucksenkenden Eigenschaften bisher nur unzureichend wissenschaftlich nachgewiesen werden. Ebenfalls sind die Anwendungsgebiete „degenerative Entzündungen“, „Herzstärkung“ und „Beruhigung“ noch nicht zweifelsfrei belegt.
Injektionstherapie
Präparate aus Misteln werden in niedriger Konzentration zur Stimulation des Immunsystems injiziert. Die Wirkung schreibt man insbesondere den Lektinen und Viscotoxinen zu. Mistelextrakte und -präparate werden heute vorwiegend zur unterstützenden Tumor therapie verwendet. Man verspricht sich davon neben der Stimulation des Immunsystems auch eine allgemein kräftigende sowie stimmungsaufhellende Wirkung. In höheren Konzentrationen nutzt man die zellgiftige (zytotoxischen) und teilungshemmende (zytostatische) Wirkung gegen Krebs. Daneben soll die Bildung von Blutgefäßen im Tumor gehemmt werden. Das verhindert die Versorgung des Gewebes und unterdrückt so das Tumor wachstum. Darüber hinaus soll die Regenerierung des Knochenmarks gefördert werden. Allerdings konnten nicht alle klinischen Studien einen statistisch signifikanten Nutzen der Misteltherapie bei bösartigen und streuenden Tumor en feststellen.
Erfahrungsgemäß verbessert die Mistel die Lebensqualität sowie die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Die Mistel verringert die Nebenwirkungen einer Chemotherapie und fördert den Appetit. Das Gewicht nimmt zu und der Schlaf normalisiert sich. Auch das Frieren unter einer Chemotherapie bessert sich. Insgesamt ist die Mistel das beste bekannte Medikament gegen die Müdigkeit bei Tumor patienten (Fatigue-Syndrom). Der Wirkmechanismus der Mistel ist jedoch nur in Ansätzen bekannt.
Bild-Link zu Erkrankungen, bei denen Mistel gesichert helfen kann
Bild-Link zu Erkrankungen, bei denen Mistel aus Erfahrung helfen kann
Nebenwirkungen und Gegenanzeigen von Mistel
Mistelpräparate gelten als sicher und nebenwirkungsarm. Mistelinjektionen können jedoch in Einzelfällen Schüttelfrost, hohes Fieber, Kopfschmerzen, Brustenge, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Schwäche, Abgeschlagenheit, Muskel- und Gliederschmerzen sowie Kreislaufstörungen beim Aufstehen und allergische Reaktionen auslösen.
Bei der Injektion unter die Haut entstehen lokale Entzündungen, die bis zum Absterben von Gewebe führen können (Nekrose n). Mäßige lokale Reaktionen sind erwünscht, bei größeren Entzündungen sollte die Dosis verringert oder das Präparat gewechselt werden.
Mistelpräparate sollten nicht bei akuten Leukämien, Lymphomen und Gehirntumoren eingesetzt werden. Akut e und entzündliche sowie fieberhafte Erkrankungen mit einer Körpertemperatur über 38°C sind eine weitere Kontraindikation für die Anwendung von Mistelpräparaten. Bei einer Behandlung mit den Immunstimmulantien Interleukin und Interferon sowie bei fieberproduzierenden Immuntherapien sollte der behandelnde Arzt über die zusätzliche Anwendung von Mistelpräparaten entscheiden.
Praktische Anwendung: Produkte & Hausmittel
Mistelprodukte gibt es als:
Injektionen von spezialisierten Anbietern, als standardisierte Misteltropfen (traditionelles Arzneimittel) oder als zerkleinertes Material für Tee
Mistel-Injektionen gehören in die Hand eines erfahrenen Therapeuten: Man spritzt sie unter die Haut, in die Venen oder ausnahmsweise auch direkt in den Tumor .
Eine Misteltherapie sollte bei Tumor erkrankungen in den ersten beiden Jahren nach der Operation durchgeführt werden, denn in dieser Zeit ist das Risiko eines Rückfalls am höchsten. Die Therapie kann in allen Phasen der Erkrankung und begleitend zu Standardbehandlungen (Operation, Chemotherapie, Bestrahlung) stattfinden. Vor dem Beginn der Behandlung sollte der Immunstatus festgestellt werden. Die Injektionstherapie mit Mistelpräparaten muss sich genau an den Herstellerangaben orientieren, denn eine Überdosierung führt zu einer Unterdrückung der Immunreaktion.
Phytotherapeutische Präparate werden auf einen bestimmten Gehalt an Mistellektinen eingestellt.
Exkurs: Was sind traditionelle Arzneimittel?
Misteltropfen zur oralen Therapie sind als so genannte "Traditionelle Arzneimittel" in Deutschland zugelassen und nicht verschreibungspflichtig. Als „traditionell“ dürfen Arzneimittel bezeichnet werden, deren Einsatz sich seit langem bewährt hat, die vor In-Kraft-Treten des Arzneimittelgesetzes (AMG) rezeptfrei erhältlich waren und deren Nachzulassung das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM ) aufgrund positiver Qualität und Sicherheit offiziell erteilte.
Für traditionelle pflanzliche Arzneimittel liegen jahrzehntelange Anwendungen und Erfahrungsberichte vor.
Hausmittel: Tee als Kaltauszug
Gegen Bluthochdruck und zur Arteriosklerose prophylaxe : Man übergießt das zerkleinerte Material (2,5 g) mit kaltem Wasser (Droge pro Tasse) und lässt die Mischung 12 Stunden bei Raumtemperatur stehen und seiht dann den Rückstand ab. Pro Tag trinkt man ein bis zwei Tassen.
Getrocknetes Mistelkraut sollte kühl und lichtgeschützt aufbewahrt werden.
Inhaltsstoffe der Mistel:
Mistel enthält viel Lektine (0,1 %) und zwar die Mistellektine I–III; jedes Lektin besteht aus zahlreichen Isolektinen. Es sind Glykoproteine, die an spezifische Zuckermoleküle binden können.
Von besonderem Interesse sind bis zu (0,1 %) Viscotoxine ( Viscotoxine A, B, P). Es sind Polypeptide aus 46 Aminosäure n.
Ferner kommen vor:
Schleimstoffe Saccharide: Polysaccharide, OligosaccharidePhenylpropane Phenolcarbonsäuren: KaffeesäurederivateFlavonoide Die Sekundärstoffe der Wirtspflanze können die pharmakologische Aktivität der Droge nachweislich beeinflussen. [9]