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Auch gegen Migräne ist ein Kraut gewachsen

Nahaufnahme des Gesichts einer Frau, die sich die Schläfen reibt.
© Getty Images

Das "Gewitter im Kopf"

Als effektive Prophylaxe eignen sich vor allem das Mutterkraut und die Gewöhnliche Pestwurz.

Von: Eva Pantleon

Migräne, das Volksleiden

Wenn der Kopf sich mal wieder anfühlt, als bohre jemand eine Stricknadel hindurch, greifen Migräne-Patienten oft zu starken Medikamenten. Was viele nicht wissen: Auch die Phytotherapie kann helfen. Zwar nicht im Akutfall, aber als effektive Prophylaxe.

Sie kennt kein Pardon. Kann jederzeit zuschlagen. Und jeden treffen: ob die Queen, ob Barack Obama oder Lieschen Müller. Migräne – ein Volksleiden im wahrsten Sinne des Wortes. Statistiken zufolge trifft es jeden Zehnten, oder besser: jede Zehnte. Frauen sind nämlich doppelt so häufig betroffen wie Männer. Was manche Wissenschaftler die Ursachen in den bei Frauen stärkeren hormonellen Veränderungen vermuten lässt. Doch hinreichend erklärt ist der Grund für jene stechenden, meist einseitigen Kopfschmerzen, die Millionen von Menschen das Leben schwer machen, bis heute nicht. Zwar gibt es diverse Erklärungstheorien. Doch keine davon kann alle Aspekte der Krankheit abdecken.

Etwas klarer ist die Lage hinsichtlich der auslösenden Faktoren: als solche gelten vor allem der Genuss von Alkohol oder bestimmten Nahrungsmitteln, Stress und hormonelle Veränderungen. Und auch für die Behandlung der Migräne sieht es heutzutage recht gut aus: Medikamente können den Betroffenen auch bei starken Schmerzen das Leben deutlich erleichtern. Nur: Leider geht dies nicht ohne, zum Teil gravierende Nebenwirkungen – selbst wenn es sich dabei um frei verkäufliche Medikamente handelt wie zum Beispiel Schmerztabletten.

Nur eine Aspirin?

So kann zum Beispiel die regelmäßige Einnahme von ASS oder Ibuprofen – wie sie bei Migränikern häufig der Fall ist – zu Magen-Darmproblemen, sogar Magengeschwüren, führen. Und eine Überdosis an Paracetamol kann Leberschäden nach sich ziehen. Eine langfristige Einnahme sollte deswegen immer mit einem Arzt abgesprochen und von Zeit zu Zeit überprüft werden.

Nicht viel besser sieht es aus, wenn spezielle Migräne-Mittel zum Einsatz kommen, die Triptane. Die bringen bei einer heftigen Attacke zwar erstmal Erleichterung, können aber sehr drastische Nebenwirkungen haben: Engegefühl im Bereich der Brust und des Halses, Kribbelgefühle und Missempfindungen an Armen und Beinen sowie ein Kältegefühl. Ferner besteht die Gefahr eines durch regelmäßige Einnahme hervorgerufenen Dauerkopfschmerzes. Daher dürfen Triptane maximal an zehn Tagen pro Monat eingenommen werden.

Wie kann die Phytotherapie helfen?

Was also tun, wenn einfache Schmerzmittel keine Lösung mehr sind und die Anfälle immer häufiger kommen? Neben Entspannungsübungen und Abbau von Stress (und anderen auslösenden Faktoren!) legen neuere Studien nahe, dass mit Phytotherapie gute Ergebnisse zu erzielen sind – und das langfristig und weitestgehend nebenwirkungsfrei.

Allerdings, soviel gleich vorweg: Bei einer akuten Migräneattacke geht es nicht "ohne Chemie" sprich schulmedizinische Medikamente. Doch was die Prophylaxe angeht, kann die Phytotherapie hervorragende Erfolge – zum Teil eine um die Hälfte reduzierte Anfallshäufigkeit –vorweisen.

Im Gespräch und durch kleinere kontrollierte Studien belegt sind für die Migräne-Therapie vor allem das Mutterkraut und die Gewöhnliche Pestwurz.

Pestwurz - altbekannt und neu entdeckt

Hier zeigt es sich wieder einmal: Namen sind Schall und Rauch. Denn trotz ihres unsympathischen Namens ist die Gewöhnliche Pestwurz eine hochwirksame Heilpflanze. Bereits in der Antike verwendeten Ärzte den Korbblütler, um Geschwüre zu heilen. Ihren heutigen Namen erhielt die Pflanze dann im Mittelalter, als Teile davon als Heilmittel bei Pesterkrankungen eingesetzt wurden. Heute kommt die Pestwurz gegen Heuschnupfen und Asthma, aber vor allem in der Migräne-Therapie zum Einsatz – und das mit beachtlichen Erfolgen, wie zum Beispiel eine Studie der Schmerzklinik Kiel nachwies. Unter der Leitung von Professor Hartmut Göbel wurden 202 Patienten mit Präparaten aus Pestwurz behandelt. Die Resultate waren so erstaunlich wie überzeugend, so Göbel: „Bei über zwei Dritteln der Patienten, die vorher zwei bis sechs Attacken im Monat hatten, reduzierten sich die Migräneanfälle im Mittel um 58 Prozent“. Eine Vergleichsgruppe, die kein Pestwurzpräparat, sondern ein Scheinmedikament (Placebo) eingenommen hatte, erreichte nur 26 Prozent.

Noch sensationellere Ergebnisse lieferte eine kleinere Studie am Städtischen Krankenhaus in München-Harlaching: Dort konnten bei 77 Prozent der mit einer Pestwurzkur behandelten 33 Patienten deutliche Verbesserungen festgestellt werden. Dennoch sollte die Pestwurz sicher nicht als "Allheilmittel" gegen Migräne verstanden werden. Denn gerade bei Migräne hilft nicht jedem das Gleiche. Aber ein Versuch lohnt sich gewiss, zumal es keine oder nur äußerst milde Nebenwirkungen gibt – solange für die Therapie auf industriell hergestellte Pestwurzelextrakte zurückgegriffen wird.

Achtung giftig!

Anders sieht es aus bei einer Anwendung in Eigenregie. Hiervor ist ausdrücklich zu warnen! Die natürliche Pestwurz, wie sie in Deutschland an vielen Bächen und anderen Feuchtgebieten wächst, enthält nämlich giftige Pyrrolizidin-Alkaloide. Diese können die Leber schädigen und sogar Krebs hervorrufen. Daher darf die Pestwurz zum Beispiel auf keinen Fall als Tee zubereitet werden. Die positive Wirkung als Migräne-Prophylaxe lässt sich nur durch die Einnahme von industriell hergestellten Pestwurzpräparaten erreichen, die durch flüssiges Kohlendioxid "entgiftet" worden sind (wie z.B. das Präparat „Petadolex“).

Doch selbst diese können offenbar in - allerdings sehr seltenen Fällen - schädliche Nebenwirkungen haben. So sorgten 2003 Meldungen über potenziell leberschädigende Wirkungen von Pestwurz-Präparaten für einigen Presserummel. Hintergrund waren sechs Fälle in der Schweiz, die in einem Fall sogar eine Leber-Transplantation nach sich zog. Unabhängige Experten, welche die Vorfälle untersuchten, stellten allerdings nur in zwei – und zwar den reversiblen Fällen – einen Zusammenhang mit der Petadolex-Einnahme als wahrscheinlich fest. Trotzdem sind Pestwurz-Präparate seitdem in der Schweiz nicht mehr zugelassen.

Das Land steht damit aber völlig isoliert da. Denn von der Europäischen Neurologischen Fachgesellschaft (EFNS) wird Pestwurz seit 2005 offiziell zur Migränevorbeugung empfohlen – sogar für Kinder. Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hält eine Einschränkung für Deutschland nicht für notwendig und empfiehlt bei Einnahme von Pestwurzpräparaten lediglich eine verstärkte Aufmerksamkeit und ärztliche Begleitung, insbesondere bei Patienten mit Leberproblemen. Und so resümiert auch Professor Dr. Hans-Christoph Diener von der Universitätsklinik Duisburg-Essen: „Die Wirksamkeit, belegt in zwei randomisierten und kontrollierten Studien und einer offenen Studie, und die gute Verträglichkeit sowie die geringe Inzidenz der Hepatitisverdachtsfälle ergeben eine positive Nutzen-Risiko-Bewertung für den Pestwurz-Spezialextrakt Petadolex®“.

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Dennoch gilt als Empfehlung: Eine Pestwurz-Behandlung sollte nicht länger als drei bis vier Monate dauern. Nach dieser Zeit empfiehlt sich eine Unterbrechung der Kur, die bei erneuten Beschwerden später wieder aufgenommen werden kann.

Mutterkraut

Die Briten nennen es „feverview“. Was so viel heißt wie „wenig Fieber“. Dementsprechend wird das zierliche, einer Kamille ähnelnde Kraut dort bereits seit dem 18. Jahrhundert als eine Art natürliches Aspirin eingesetzt. Wenig erstaunlich ist daher, dass auch die Wiederentdeckung des Mutterkrauts durch die Schulmedizin ihren Anfang im Land von Shakespeare & Co. nahm: Als erstes führte Dr. E.S. Johanson und Mitarbeiter von der Migräneklinik London 1985 eine vergleichende Studie gegen eine Placebogruppe durch. Drei Jahre später folgte eine weitere klinische Studie zum Mutterkraut am Universitätskrankenhaus Nottingham. Unter der Leitung des Migräne-Experten Dr. J. J. Murphy wurden die Daten von 72 Migränepatienten über einen Zeitraum von neun Monaten ausgewertet. Beide Studien zeigten sehr überzeugend, dass durch die tägliche prophylaktische Einnahme von 82 Milligram Drogenpulver in Form von Kapseln die Häufigkeit und Schwere der Migräneanfälle signifikant gemindert werden können. Zudem besserten sich auch die typischen Begleiterscheinungen der Migräne wie Übelkeit, Schwindel und Erbrechen sehr deutlich.

Pharmakologische Studien haben mittlerweile auch ergeben, welcher Inhaltsstoff der Pflanze sie zum Migränemittel macht: Wirksam ist eine Substanz namens "Parthenolid", ein pflanzlicher Gegenspieler des Serotonins. Das Parthenolid verhindert die Freisetzung von Serotonin und kann dadurch, so vermuten die Wissenschaftler, Migräneanfälle verhindern. Serotonin steht nämlich im Verdacht, durch seine Wirkung auf die Durchblutung der Gefäße im Gehirn Migräne auszulösen. Unkontrollierte Serotonin-Ausschüttungen zu vermeiden, ist daher ein wichtiges Ziel in der Migränevorbeugung.

Im Gegensatz zur Pestwurz kann Mutterkraut auch im Rohzustand eingenommen werden. Entscheidend ist, dass man die Dosis von einem Teelöffel frischem beziehungsweise einem Viertel Teelöffel getrocknetem Mutterkraut mindestens acht Wochen hindurch täglich beibehält. Nur so kann sich langsam ein Wirkstoffspiegel im Blut aufbauen, der dann konstant bleibt und auch wirklich hilft. Tipps zum Anbau im eigenen Garten oder Balkon finden Sie auf der Seite tanacetum.de. Wer auf Nummer sicher gehen will, greift besser zu fertigen Präparaten, die eine konstante Wirkstoffmenge garantieren. Allerdings ist Mutterkraut bisher in Deutschland noch nicht als pflanzliches Arzneimittel erhältlich. Daher fragen Sie in Ihrer Apotheke am besten nach homöopathischen Produkten oder Nahrungsergänzungsmitteln, die das Kraut enthalten. Diese gehen zwar ohne Indikation über den Ladentisch – aber das sollte ihrer Wirkung keinen Abbruch tun. Im Internet bestellbar ist folgendes homöopathische Mittel. Die telefonische Recherche ergab, dass Aalborg Pharma und Diamant Natuur zur gleichen Firma gehören, daher auch die identischen Preise.

Nebenwirkungen wurden bei der Einnahme von Mutterkraut bisher nicht registriert. Als einzige Einschränkung gilt daher: Das Mittel sollte nicht während der Schwangerschaft und Stillzeit angewendet werden – und auch ansonsten immer nur nach vorheriger Rücksprache mit dem Arzt.

Weitere alternative Verfahren zur Migräne-Prophylaxe

Viele mehr oder – leider auch – weniger seriöse Therapien versprechen Abhilfe bei Migräne. Als wissenschaftlich untermauert und wirksam in der Migränetherapie gelten folgende alternative Verfahren:

  • Verhaltenstherapie (Kognitive Techniken, Stress- und Reizverarbeitungstraining und Schmerzbewältigungstechniken sind vor allem in Kombination wissenschaftlich bewiesen)
  • Biofeedbacktherapie
  • Sport (wissenschaftlich belegt ist die prophylaktische Wirkung aerober Ausdauersportarten, insbesonders Jogging)
  • Akupunktur (Studien belegen eine Wirkung, die allerdings von manchen Experten als Placebo-Effekt interpretiert wird - ein Kommentar dazu findet sich hier)
  • Progressive Muskelentspannung (dokumentiert ist ein besserer und anhaltenderer Effekt als für Akupunktur - vgl. hier sowie das Buch "Psychologische Schmerztherapie" von Prof. Heinz-Dieter Basler).

Einige kleinere Studien, aber nicht placebo-kontrollierte Studien weisen zudem auf eine migräne-prophylaktische Wirkung von Magnesium, Riboflavin (Vitamin B2/ Wirksamkeit ab Dosen von 400 mg – kann als Nebenwirkung Durchfall verursachen) und Q10 hin.

Was haben Sie für Erfahrungen mit Pestwurz oder Mutterkraut gemacht? Wir freuen uns über Ihren Kommentar!

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