Definition
Das steckt dahinter
Störfaktoren: Ausweichen nicht möglichLicht und Lärm sogar Gerüche – alles geht einem Kopfschmerzpatient auf die Nerven. In der Tat sind diese Menschen in dieser Zeit überempfindlich. Während ein gesunder Mensch sich zeitweise an diese Störfaktoren gewöhnen kann, ist das für einen Migränepatienten mit Symptomen nicht mehr möglich. Er flieht davor und zieht sich in ein ruhiges Ambiente zurück. Wenn das ab und zu eintritt, ist das kein größeres Problem. Richtig schwierig wird die Situation, wenn bei chronischen Beschwerden die Symptome über mehr als 15 Tage im Monat auftreten.
Vielschichtige Auswirkungen
Wen Migräne derart trifft, hat ein ernstes Problem: Die Schmerzen lassen einen normalen Lebensablauf nicht mehr zu. Das führt nicht nur zu Fehltagen und letztlich zum Verlust des Arbeitsplatzes, es kann auch das familiäre Umfeld erheblich belasten. So hat die Erkrankung nicht nur eine körperliche Dimension, sondern auch schwere Folgen für das Sozialleben, das Berufsleben und die Psyche. Gerade Depressionen und Angsterkrankungen sind häufige Migränebegleiter.
Gründlich anpacken
Die Ursachen sind komplex, weshalb auch die Behandlung nicht zu der einfachsten Therapie in der Medizin gehört. Die optimale Behandlung sollte auf vielen Ebenen einsetzen, das steigert die Wirksamkeit, wie Studien belegen. Der pure Medikamentenkonsum kann nur Linderung verschaffen, aber das Problem nicht ursächlich beseitigen. Wegen der hohen genetischen Komponente wird es vermutlich nicht gelingen, eine Migräneneigung zu heilen, die Frage ist jedoch: Wie kann man damit leben und wie oft muss man damit leben? Da gibt es große Unterschiede.
Häufigkeit
10 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Migräne. Überwiegend sind es Frauen, die es trifft. Sie klagen dreimal häufiger über die Schmerzen.
Etwa 90 % der Kopfschmerzerkrankungen entfallen auf die Kopfschmerzformen Migräne und Spannungskopfschmerzen, die auch kombiniert auftreten können. Migräne ist die häufigste Kopfschmerzform.
Kopfschmerzen gehören neben Rückenschmerzen zu den häufigsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen: ca. 70 % der Bevölkerung hat ab und zu Kopfschmerzen. Auch Kinder sind bereits betroffen: Etwa 10 % der Grundschulkinder und 23 % der Jugendlichen klagen darüber.
Ein Migräneanfall dauert bei einem Erwachsenen zwischen 4 und 72 Stunden. Etwa 15 bis 20 % der Fälle sind mit einer Aura verbunden. In der Regel sind es Sehstörungen (verschwommenes Sehen, Flimmern), teilweise aber auch andere nervliche Erscheinungen (Sensibilitätsstörungen, Änderung des Geruchsempfindens, Gleichgewichtsstörungen, Sprachstörungen und Lähmungen)
Von chronischer Migräne spricht man, wenn die Beschwerden mehr als an 15 Tagen im Monat auftreten, etwa 0,2-1,5 % leiden darunter.
Ursachen
Das Gehirn selber ist nicht schmerzempfindlich! Trotzdem fühlt man die Schmerzen genau dort. Sie gehen von den Blutgefäßen, den Hirnhäuten und den das Gehirn umgebenden Knochen und Weichteilen oder den Gesichtsnerven aus. Klar wird auch zunehmend, dass Migräne nicht nur eine Ursache hat.
Was letztendlich während einer Attacke vor sich geht, ist relativ kompliziert. Klar ist, dass das Gleichgewicht zwischen nervlichen Botenstoffen und nervlicher Aktivität entgleist. So spielen, neben den Blutgefäßen, nervliche Übererregungen im Gehirn sowie entzündliche Reaktionen eine wesentliche Rolle. Weitere Ursachen sind außerdem eine Reihe genetischer Defekte, welche zu einer Migräneneigung führen. In den unterschiedlichen Phasen der Attacke herrschen einzelne Phänomene vor.
- Gefäßerweiterung und Entzündung
Nervliche Reize und Botenstoffe führen zu einer Erweiterung der Adern im Gehirn. Die Aderwände werden durchlässiger für Blutplasma und weiße Blutzellen. Sie treten in das Gehirngewebe aus und erzeugen dort entzündliche Zustände mit Schmerzen. - Ungleichgewicht der Botenstoffe
Vor dem Anfall liegt häufig eine Unterversorgung des Botenstoffs Serotonin vor, kurz vor Beginn des Anfalls hingegen ein Überschuss. Da zahlreiche andere Botenstoffe davon beeinflusst werden, geraten verschiedene Regelkreise aus dem Gleichgewicht. - Gefäßverengung
Bei einigen, seltenen Migräneformen werden bestimmte Teile des Gehirns schlechter durchblutet, es folgen Nervenausfälle und Lähmungen. Hält dieser Zustand länger an, drohen mitunter auch dauerhafte Schäden (migranöser Infarkt). - Nerven-Erregung
Während einer Attacke werden Teile des Gehirns erhöht erregt. Dies bedeutet, dass bei monotoner Reizung die Nervenaktivitäten eines gesunden Probanden abnehmen, sich die eines Migränepatienten jedoch verstärken. Abhängig davon, welche Gehirnteile erregt sind, kann dies bspw. dazu führen, dass das Sehzentrum beeinträchtig wird. - Nervenüberempfindlichkeit
Im Verlauf einer Attacke kommt es vermutlich zu Vorgängen, welche die Nerven für Schmerzreize noch weiter sensibilisieren. Außerdem werden Mechanismen der „Schmerzunterdrückung“ ausgeschaltet. Daher schmerzt selbst der Pulsschlag in den Adern. Dies führt zu pulsierenden Schmerzempfindungen, die bei Bewegung des Kopfes schlimmer werden. Die „Empfindlichkeit“ kann sich auf die Haut und auf die Augen ausweiten, so dass Berührungen und Licht unerträglich werden.
Risiken
Abgesehen von genetisch bedingten Ursachen, begünstigen auch bestimmte lebensgeschichtliche Faktoren die Erkrankung:
- Übergewicht
- Schädel-Hirnverletzungen, Gehirnerschütterung
- schlimme Erlebnisse (Traumen)
- depressive Phasen
Angeschlagene Konstitution erhöht Migränerisiko
Genauso verschieden wie die Vorgänge der Schmerzentstehung, sind die Trigger („Auslöser“). Jeder Mensch besitzt normalerweise die Fähigkeit, mit diesen Auslösern fertig zu werden. Die Schwelle, ab der Migräne tatsächlich ausgelöst wird, ist aber sehr unterschiedlich und nicht nur situationsbedingt, sondern hängt auch von der genetischen Ausstattung ab. Es sind bereits verschiedene Genvarianten bekannt, die eine Anfälligkeit für diese Erkrankung begünstigen. Daneben wird die Wahrscheinlichkeit bei angeschlagener Konstitution höher.
Prävention
Attacken werden meist durch einen bestimmten Faktor ausgelöst. Man nennt diesen Auslöser auch Trigger. Obwohl Migräne primär dann auftritt, wenn man körperlich oder geistig angeschlagen und daher unvermeidlicherweise anfälliger ist, lassen sich anhand eines Migränetagebuchs Ihre persönlichen Trigger bestimmen und künftig meiden. Selbst erfahrenen Ärzten fällt es leichter eine Diagnose und die dazugehörige, personenbezogene Therapie zu erstellen, wenn sie auf Ihre personenbezogenen Daten zurückgreifen können, die Sie mithilfe Ihres Tagebuchs im Vorfeld zusammengetragen haben.
In Ihr Migränetagebuch können Sie verschiedene Auslöser aufnehmen, indem Sie sie einer Kennung zuweisen. Hier spielen hauptsächlich Lebensumstände wie Stress, Druck, Belastung, oder andere Faktoren, die Ihr Leben beeinflussen eine Rolle. Weitere Trigger verbergen sich möglicherweise hinter Nahrungsmitteln; falls Sie hier einen Auslöser Ihrer Attacke vermuten, können Sie auch diesen eine Kennung in Ihrem Migränetagebuch zuweisen. Außerdem bietet Ihnen das Tagebuch die Möglichkeit, Ihre eingenommenen Medikamente und deren Wirkung bei Ihnen zu evaluieren.
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Zur Prävention eignen sich aber auch verschiedene pflanzliche Präparate
Prävention mit Phytotherapie
Pestwurz kann effektiv in der Prävention von Migräne eingesetzt werden (auch bei Kindern). Nicht nur die Häufigkeit der Attacken ließ sich um etwa 60% vermindern, auch die Heftigkeit ließ nach.
Ginkgo ist seit langem für seine anti-inflammatorischen, anti-allergischen, antioxidativen und neuroprotektiven Eigenschaften bekannt. Ein Bestandteil des Extrakts, das Ginkgolid B, könnte zu einem weiteren effektiven Präparat werden. Getestet wurden auch die Terpene von Ginkgo in Kombination mit CoenzymQ10 bei Migräne.
An Kindern liegt eine ähnliche Studie mit der Kombination Ginkgolid B/ Coenzym Q10/ Riboflavin und Magnesium vor. Die Anfallshäufigkeit bei Schulkindern konnte halbiert werden. Es müssen aber noch weitere kontrollierte Untersuchungen folgen, um den Effekt gegen Migräne genauer beziffern zu können.
Nachtkerzenöl mit dem Inhaltsstoff γ-Linolensäure unterdrückt die Bildung entzündlicher Botenstoffe und wird bei verschiedensten Schmerzzuständen eingesetzt. Eine kleine Studie hat dazu bewiesen, dass sich bei 86 % der Patienten sowohl Schwere, Häufigkeit als auch Dauer der Attacken gebessert hatten. Gelindert wurde bei 90% der Patienten die mit der Krankheit verbundene Übelkeit. Leider gab es keine Placebogruppe, so dass eine objektive Beurteilung noch nicht möglich ist.
Mutterkraut (Tanacetum parthenium) hatte in einigen Studien mit dem Extrakt MIG-99 positive Wirkung auf die Frequenz der Beschwerden. Allerdings ist nicht jedes Präparat erfolgreich. Entscheidend ist vermutlich die Konzentration des Wirkstoffes Parthenolid (6.25 mg drei Mal täglich, 16 Wochen). Allerdings wurden Nebenwirkungen wie Entzündungen im Mund und Verdauungsstörungen bei der Behandlung registriert.
Prämenstruelle Kopfschmerzen
Die Hormonumstellung am Anfang der Periode der Frau ist besonders heftig und kann Schmerzen bereiten. Ein Kombinationspräparat mit sogenannten Phytoöstrogenen erzielte in einer kleinen Studie deutliche Effekte. Enthalten waren: Soja-Isoflavone (60 mg), Engelswurz (Angelica sinensis, dong quai; 100 mg), und Traubensilberkerze (50 mg). Auch Extrakte der Früchte des Mönchspfeffers (Agni casti fructus) hemmen die Symptome des Prämenstruellen Syndroms (PMS).
Stress
Die häufigsten bei Befragungen genannten Gründe für Kopfschmerzen sind Stress und Schlafprobleme. Müdigkeit und Erschöpfung gehen Anfällen häufig voraus. So ist es sinnvoll, pflanzliche Beruhigungsmittel zu versuchen (Baldrian, Hopfen, Passionsblume, Melisse). Zur Aufhellung bei depressiven Begleiterscheinungen ist Johanniskraut das Beste und bei Ängstlichkeit Kava-Kava. Als Therapie sollten ergänzend auch entspannende Verfahren eingesetzt werden.
Verlauf und Komplikationen
Die Phasen eines Anfalls
Vorbotenphase: Stunden bis Tage vor dem Anfall kündigen bei einem Drittel der Patienten Symptome eine Attacke an. Diese sind individuell und sehr verschieden, beispielsweise: Müdigkeit und Stimmungsschwankungen, Konzentrationsstörungen, Gähnen, Nacken- und Schulterschmerzen oder auch Heißhunger auf bestimmte Speisen wie Süßigkeiten.
Erst in der Kopfschmerzphase treten die einseitigen Schmerzen am vorderen Kopf auf (Stirn, Schläfe oder Auge). Zusätzliche Symptomen können folgen: Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit.
In der Rückbildungsphase nehmen die Symptome der Schmerzphase langsam ab. Zurück bleiben Anspannung und große Müdigkeit. Oft dauert es 24h, bis sich der Patient wieder fit fühlt.
Verlauf während eines Lebens
Liegt eine Neigung vor, so treten Kopfschmerzen letztlich immer wieder auf. Wann dies im Leben einsetzt, steht nicht fest: so kann die Erkrankung in jedem Alter auftreten, aber sie manifestiert sich meist in der Zeit der Pubertät oder in den ersten drei Lebensjahrzehnten. Kinder und Jugendliche leiden seltener, Erwachsene häufiger unter dem Schmerzsyndrom. Die gute Botschaft ist: die Krankheit kann beim Älterwerden oder bei hormoneller Umstellung (Pubertät oder Wechseljahren) verschwinden. Wer als Kind bereits erkrankte, kann später schmerzfrei sein. Nur 60 % der Betroffenen haben weiterhin Beschwerden.
Komplikationen
Einzelne Anfälle sind meist zu verkraften. Unangenehmer wird es, wenn daraus eine chronische Erkrankung erwächst. Als Schwellenwert gelten mehr als 15 Schmerztage/Monat über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Bei der Chronifizierung kann die Schmerzintensität abnehmen. Auch Begleitbeschwerden regulieren sich teilweise; dennoch kann es zu einer attackenweisen Verschlimmerung kommen. Vor allem ein Übermaß an Schmerzmitteln kann für diesen Verlauf verantwortlich sein.
Risikofaktoren für eine Chronifizierung des Leidens sind:
- eine hohe Anfallsfrequenz,
- weibliches Geschlecht,
- Schmerzmitteleinnahme
- Übergewicht (Body-Mass-Index >30). Eine Assoziation einer chronischen Migräne mit einer Depression oder einer Angsterkrankung wird diskutiert [2].
Kopfschmerzen gehören wie Ohren- und Zahnschmerzen und überhaupt alle Schmerzen im Kopfbereich, zu den besonders unangenehmen Schmerzformen. Die Patienten klagen oft darüber, dass sie diesen Schmerzen, anders als anderen, kaum „ausweichen“ oder sie durch Ablenkung lindern können. Wenn sie keine Hilfe erfahren, ziehen sich sehr viele Patienten zurück und verlieren ihre sozialen Bindungen, im Extremfall den Arbeitsplatz. Migräne ist mit einer erhöhten Rate von psychischen Erkrankungen assoziiert. Man diskutiert auch die Verbindung mit anderen Erkrankungen, wie Angsterkrankungen oder Depressionen. Auch Schlafstörungen treten in der Folge häufig auf und beeinträchtigen die Befindlichkeit.
Besonders schwer ist die Medikation, wenn die Patienten wegen noch weiterer Schmerzerkrankungen wie Rücken- oder Arthroseschmerzen behandelt werden müssen.
Migränemedikamente aus der Gruppe der Triptane verengen die Adern und sind für Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen oder Bluthochdruck nicht geeignet. Treten solche und andere Krankheiten zusammen mit Migräne auf, kann dies die Schwere und Behandlung der Attacken beeinflussen.
Tritt bei einem Anfall eine Aura mit auf, so ist mit einem größeren Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen zu rechnen: Chronisch Erkrankte mit Aura haben ein leicht erhöhtes Risiko für Schlaganfälle. Sie sollten daher andere Schlaganfallrisikofaktoren kennen und, falls nötig, therapeutisch angehen. Insbesondere sollten andere Risikofaktoren wie Rauchen, hohe Fettwerte und Bewegungsarmut vermieden werden.
Migräne ohne Aura (einfache)
Bei dieser Art treten mindestens fünf Attacke mit einer Dauer von vier - 72 Stunden auf. Die Kopfschmerzen können einseitig, pulsierend oder pochend sein. Sie werden in den meisten Fällen durch Bewegungen des Kopfes bzw. des Körpers verstärkt. Die Patienten haben keine neurologischen Störungen, aber mindestens eines der Begleitsymptome (Erbrechen, Photophobie, Geräuschempfindlichkeit).
Migräne mit Aura (klassische)
Vor dem Einsetzen von Kopfschmerzen treten neurologische Symptome (Sehstörungen, Gesichtsfelddefekte, Flimmern vor Augen, Geruchs-, Geräuschempfindungen, merkwürdige Stimmungen, Erinnerungen und Gefühle, halbseitige Sensibilitätsstörungen, Lähmungserscheinungen und Sprachstörungen) auf. Die Ausfälle entwickeln sich über fünf bis 20 Minuten und bestehen maximal 60 Minuten.
Sonderformen
Es gibt verschiedene Sonderformen der Erkrankung. So treten z. B. bei der Basilarmigräne Doppelbilder, Bewusstseinsstörungen, Verwirrtheit, Tinnitus, Hörminderung, Koordinationsstörungen (Ataxie) und Schwindel auf. Bei der retinalen Migräne kommt es zur vorübergehenden einseitigen Erblindung.
Abdominelle Migräne
Hier kommt es nicht zu Kopf-, sondern zu Bauchschmerzen, die sich in der Nabelgegend für mindestens eine Stunde bilden. Begleitend treten mindestens zwei weitere Beschwerden auf (Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerz). Der Betroffene will nicht essen und ist häufig lichtscheu.