Jod-Versorgung: Des Guten zu viel? Teil 2
Expertenmeinungen zu Jod
Im zweiten Teil befragten wir mehrere Experten zu diesem kontroversen Thema und lassen auch kritische Stimmen zu Wort kommen.
Eine Thema - viele Meinungen
Ein Thema, zu dem zwar irgendwie jeder eine Meinung zu haben scheint, die wenigsten diese aber namentlich veröffentlicht sehen wollen: Die Anreicherung unseres Speisesalzes mit Jod. Während die einen „Experten“ ihre Meinung dazu in bester Stammtischmanier geradezu hinaus posaunen – häufig nach dem Motto ‚Meinungsstark und Kenntnisschwach‘ – sagen andere einfach lieber gar nichts und empfehlen den recherchierenden Journalisten stets weiter zu „noch besser Bescheid wissenden Institutionen“. Mit dem Ergebnis, dass man nach fünf solcher „Empfehlungen“ letztendlich wieder exakt bei der Institution landet, bei der man seine Recherche eigentlich ursprünglich begonnen hatte.
Doch der Reihe nach. Beginnen wir unseren Exkurs mit jemandem, der zu seiner Meinung steht: Manfred Haferanke, Heilpraktiker mit eigener Praxis und Leiter der Heilpraktiker- und Homöopathieschule Haferanke in Gotha. „Ich möchte zwar keine Panik schüren, doch die Bedenken vieler Verbraucher vor zu viel Jod sind meiner Meinung nach nicht ganz unberechtigt“, sagt Haferanke. So bezieht er sich u. a. auf die im ersten Teil dieser Artikelreihe genannten Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), Bonn. Darin hatte es sinngemäß geheißen: Um unsere Jod-Aufnahme-Empfehlungen allein durch jodiertes Speisesalz gesundheitsrelevant zu überschreiten, müsste zum Beispiel ein Erwachsener ca. 15 Gramm Salz täglich verzehren. Eine Menge jenseits von Gut und Böse, da wir schon allein hinsichtlich häufig verbreiteter Kreislauferkrankungen nicht mehr als 2 bis 3 Gramm täglich konsumieren sollten.
„Die hier genannten Mengen an Salz sind es allemal wert, genauer beleuchtet zu werden. Schließlich sind 15 Gramm Salz pro Tag schneller erreicht, als vielen vielleicht bewusst ist. Man denke nur mal ans alltägliche Frühstücksei, Fertiggerichte oder Knabberartikel.“ Haferankes Hauptkritikpunkt: „Dabei wird eine Zwangsjodierung für Menschen und Tiere vorgenommen – unabhängig von deren tatsächlichem Bedarf –, der sich niemand entziehen kann. Also auch niemand, dessen Jodbedarf bereits gedeckt ist. Bewohner von Mittelgebirgen oder Alpen bekommen die gleichen Jodmengen verabreicht wie die Menschen an der Küste.“
Sachliche Diskussion gefragt
Wichtig ist dem Heilpraktiker in diesem Zusammenhang aber auch, nicht jede zusätzliche Gabe des Spurenelements pauschal zu verteufeln: „Ich betone ausdrücklich, dass ein tatsächlich vorhandener Jodmangel erhebliche Komplikationen nach sich ziehen kann, zum Beispiel und vor allem für ungeborene Kinder unterversorgter Mütter. Trotzdem spreche ich mich für einen verantwortungsvolleren Umgang mit diesem Spurenelement aus. Eine zusätzliche Jodzufuhr empfehle ich deshalb nur im Einzelfall, wenn tatsächlich ein konkreter Jodmangel diagnostiziert wurde.“
Dass sich viele Verbraucher eine bessere Lebensmittel-Deklaration hinsichtlich jodierten Speisesalzes wünschen würden, steht indes außer Frage. Grundsätzlich besteht folgendes Problem: Bei abgepackten Lebensmitteln muss zwar zumindest in der Zutatenliste erwähnt werden, ob das verwendete Salz jodiert ist oder nicht. Bei unverpackt verkauften Produkten, etwa frischen Back- oder Fleischwaren aus dem Fachgeschäft, muss es dagegen keinen Hinweis geben. „Das Bäckerhandwerk hatte sich früher auf Wunsch des Gesundheitsministeriums verpflichtet, jodiertes Salz einzusetzen“, erklärt etwa Rechtsanwalt Amin Werner, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks (ZV), Berlin. „Es muss bei loser Ware nicht deklariert werden.“
Von der DGE heißt es dazu in einer entsprechenden Stellungnahme: „Durch Kenntnis spezieller Deklarationen können Verbraucher selbst viel tun, um den Jodgehalt in ihrer Ernährung zu verbessern. Das jodierte Speisesalz für die Verwendung im privaten Haushalt ist zum Beispiel als ‚jodiert‘ gekennzeichnet. Viele Hersteller oder Betriebe der Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie kennzeichnen den Zusatz von Jodsalz freiwillig, zum Beispiel mit einem entsprechenden Siegel für Jodsalz. Studien zeigen jedoch, dass der Anteil jodierten Speisesalzes in verarbeiteten Lebensmitteln inzwischen weniger als 30 Prozent beträgt.“ Zumindest zweifelhaft, ob solche Aussagen wirklich zur Beruhigung beitragen.
Immer noch zu wenig Jodsalz?
So oder so geht die DGE davon aus, dass eine ausreichende Zufuhr des Spurenelements nur dann gewährleistet werden kann, wenn Jodsalz weiterhin und verstärkt eingesetzt wird: Die Jodversorgung habe sich zwar in den letzten Jahren verbessert, liege allerdings auch heute noch lediglich „im unteren wünschenswerten Bereich“.
Eine Bewertung, die aktuelle Zahlen des Jodmonitors 2014 (Basis: ‚Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland‘) stützen. Demnach sind immer noch 30 Prozent der deutschen Bevölkerung nicht ausreichend mit Jod versorgt. Mit durchschnittlich 215 µg/Tag liege die aktuelle Jodversorgung der deutschen Bevölkerung im mittleren unteren Bereich der von der Weltgesundheitsorganisation WHO geforderten täglichen Zufuhrmenge.
Zahlreichen Verbrauchern stellt sich indes die individuelle Frage, ob sie weiterhin Spirulina-haltige Nahrungsergänzungsmittel zur Stärkung des Immunsystems zu sich nehmen dürfen – oder ob diese zusätzliche Jodeinnahme in Kombination mit Jodsalz generell zu einer Überversorgung führt. Die Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), Berlin, lautet wie folgt: Die Mikroalge Spirulina gehört zu den Blaualgen (also den Bakterien) und kommt nur in Seen mit hohem Salzgehalt vor. Spirulina enthält kein bzw. nur sehr wenig Jod. Anders liege der Fall dagegen bei getrockneten Meeresalgen und Seetang-Produkten, da sich Jod im Meerwasser anreichert und von manchen Algenarten (Braunalgen, vor allem die Arten Arame, Kombu, Wakame und Hijiki) gespeichert wird. Und die maximale Aufnahmemenge von 500 Mikrogramm Jod pro Tag (Erwachsene) könne bereits bei Verzehrmengen von 1 bis 10 Gramm Algen pro Tag deutlich überschritten werden. Durch diesen Jodüberschuss seien gesundheitliche Schäden durchaus möglich.
Insgesamt fällt das BfR-Urteil dennoch zu Gunsten der Jodanreicherung von Lebensmitteln aus. Sowohl jodiertes Speisesalz als auch die Jodierung von Futtermitteln leisteten einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Jodmangel-Krankheiten in Deutschland und stellten kein gesundheitliches Risiko für Schilddrüsenpatienten oder Allergiker dar. Die derzeit verfügbaren Daten gäben keinen Hinweis darauf, dass relevante Anteile der Bevölkerung mit Jod überversorgt sind oder sich das mittlere Risiko für autoimmun bedingte Schilddrüsenerkrankungen erhöht hat, erklärt auch der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), Berlin.
Gefährlich kann es nach BfR-Einschätzung dagegen bei der Gabe von jodhaltigen Röntgenkontrastmitteln, jodhaltigen Medikamenten oder Desinfektionsmitteln werden. Entsprechende Jodmengen könnten tatsächlich Gesundheitsrisiken für Schilddrüsenpatienten und Allergiker bergen. Seitens Ärzten und Gesundheitsbehörden müsse deshalb eine differenzierte und sachgerechte Aufklärung betroffener Patienten erfolgen.