Insektenschutzmittel – synthetisch, oder besser doch natürlich?
Die ungetrübte Ruhe wird gestört
Die lauen Sommerabende laden auch dieses Jahr wieder dazu ein, romantisch am See oder Fluss zu sitzen, Grillpartys zu veranstalten oder einfach über warmen Pflastersteinen durch die Straßen zu schlendern. Die ungetrübte Ruhe vergeht jedoch meist nach kurzer Zeit, wenn es um uns herum säuselt und summt. Viele setzen bei der Insektenabwehr auf chemisch erzeugte Produkte, da sie sich von diesen einen vermeintlich besseren Schutz erhoffen, als von pflanzlich hergestellten Präparaten. Doch es gibt auch natürliche Alternativen, die wir hier vorstellen möchten.
Was gibt’s? Wie hilft’s? Repellentien im Überblick
Produkte, die auf natürlichen Inhaltsstoffen basieren, schneiden bei einmaliger Anwendung in Punkto lang anhaltender Schutz nicht ganz so gut ab, wie die chemisch erzeugten. Die wohl bekanntesten synthetisch hergestellten Wirkstoffe DEET (N,N-Diethyl-m-toluamid) und Icaridin (1-(1-Methylpropoxycarbonyl)-2-(2-hydroxyethyl)piperidin) versprechen einen Schutz von bis zu acht Stunden gegen Mücken und vier Stunden gegen Zecken, so die Hersteller Autan und Anti Brumm. Icaridin, das seit 1998 auf dem Markt erhältlich ist, schützt wie auch DEET und alle natürlichen Wirkstoffe dadurch, dass es den Geruchssinn der ungebetenen Blutsauger beeinflusst. DEET geriet in jüngster Vergangenheit jedoch in die Schlagzeilen; ein Forschungsergebnis[1] bestätigte, dass DEET nervenschädigend ist, da es das Enzym Acetylcholinesterase aus der Gruppe der Cholinesterasen hemmt. Dieses Enzym spaltet Botenstoffe auf und wirkt primär im Zentralen Nervensystem. Über ähnliche Nebenwirkungen von Icaridin ist derzeit nichts bekannt.
Natürliche Insektenschutzmittel, etwa von Alva, Aries oder MM-Cosmetic, schützen erfolgreich und schonend, indem sie verschiedene Pflanzenextrakte kombinieren. Effektiven Schutz bieten beispielsweise ätherische Öl-Kombinationen aus Citronella-, Nelken-, Lavendel-, Eukalyptus-, Minz-, Sonnenblumen- und Teebaumöl. Aber auch Zitronen- und Orangensäure sowie Bienenwachs und Algengel werden den Produkten beigegeben, um die Wirksamkeit des Schutzes zu erhöhen. Die Funktionsweise der Präparate setzt am Geruchsorgan der Insekten an. Dieses ist äußerst empfindlich und damit ihre Schwachstelle.
Soweit unsere Recherche, wir wollten es aber genauer wissen und haben zwei Experten zum Thema befragt. Im Gespräch waren für uns nicht nur die Stärken und Schwächen verschiedener Produkte von Interesse, sondern auch die Fragen, welche Prophylaxe-Maßnahmen zusätzlich getroffen werden können, welche Gefahren ein Stich in unserem Breitengrad birgt und was bestimmte Personengruppen wie Schwangere, Kinder und Allergiker beachten sollten.
Expertenmeinung
Dr. med. Berthold Musselmann ist Arzt für Allgemeinmedizin-Umweltmedizin-Naturheilverfahren-Chirotherapie und seit 2007 Lehrbeauftragter für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren an der Akademischen Lehrpraxis der Universität Heidelberg.
Apotheker Stefan Wowra ist Inhaber der Aesculap Apotheke in Heidelberg.
PhytoDoc: Herr Wowra in welchen Monaten sollte man sich besonders vor Mücken und Bremsen schützen?
Herr Wowra: Dies hängt stark von der Wetterlage und den Umwelteinflüssen ab. Besonders schützen sollte man sich in den Sommermonaten. Zudem sollte man sich bei einer geplanten Reise vorab darüber informieren, ob im gewählten Urlaubsland, hauptsächlich in tropischen Ländern, Stechmücken vermehrt vorkommen.
PhytoDoc: Besteht dieses Jahr ein erhöhtes Mückenaufkommen durch den lang anhaltenden Regen?
Herr Wowra: Das ist noch nicht voraussagbar. Die letzten, stark verregneten Wochen verhinderten zunächst ein starkes Vorkommen von Mücken, da diese während des Regens nicht fliegen.
PhytoDoc: Herr Dr. Musselmann, wie sieht Ihrer Meinung nach ein umfassender Schutz vor lästigen Insekten aus?
Herr Dr. Musselmann: Neben dem präventiv eingesetzten Insektenschutzmittel bietet auch die Kleidung einen gewissen Schutz. Freiliegende Körperpartien sind schutzlos ausgeliefert, wohingegen lange Kleidung schützt. In gewissem Maße bedingt auch der Aufenthaltsort das Risiko, gestochen zu werden. Meidet man stehende Gewässer oder verbringt die Dämmerung in einem geschlossenen Raum, so lässt sich die Gefahr gestochen zu werden, reduzieren. Bedacht werden sollte auch, dass der Insektenschutz rechtzeitig aufgefrischt wird; natürliche Präparate haben meist nur eine Wirkungszeit von 2 bis 3 Stunden.
PhytoDoc: Herr Wowra, welche Prophylaxe empfehlen Sie zusätzlich zu Repulsivstoffen, also synthetisch oder pflanzlich hergestellten Präparaten, die zum Schutz vor Insekten dienen?
Herr Wowra: Besonders helle, lange Kleidung hat sich bisher gut bewährt. Aber auch andere Maßnahmen können gezielt ergriffen werden. So bietet beispielsweise ein Moskitonetz, das über das Bett gespannt werden kann, Schutz während des Schlafens. Bei kleinen Kindern sollte darauf geachtet werden, dass der Mundbereich sauber ist, sodass keine Bienen oder Wespen durch Speisereste o. ä. angelockt werden.
PhytoDoc: Es werden verschiedene Insektenschutzmittel auf dem Markt angeboten. Herr Wowra, welches Produkt wird in Ihrer Apotheke am häufigsten verlangt?
Herr Wowra: Meist werden Produkte von Anti Brumm oder Autan verlangt.
PhytoDoc: Würden Sie genau diese Produkte auch empfehlen?
Herr Wowra: Nicht jedes Produkt ist für jede Person geeignet. So eignen sich manche Produkte erst ab einem gewissen Alter. Außerdem sind auch die Bedürfnisse der Person zu beachten. Manch einer favorisiert starke Produkte mit lang anhaltender Wirkungsdauer, einen anderen mag die Hautverträglichkeit und schonende Wirkweise eines pflanzlichen Produktes ansprechen.
PhytoDoc: Gerade der synthetisch hergestellten Wirkstoffe DEET (N,N-Diethyl-m-toluamid) macht nicht nur positive Schlagzeilen, da er nervenschädigend sein könnte. Herr Wowra, besteht Ihrer Meinung nac
Herr Wowra: Zu beachten ist in jedem Fall die Dosierung. Vor übermäßigem, flächendeckendem Gebrauch ist abzuraten, aber in Maßen eingesetzt erfüllt er seine Wirkung. Am sinnvollsten ist es, Hautpartien einzureiben, die nicht von der Kleidung bedeckt sind, also beispielsweise Fuß- und Handgelenke. Der Kopfbereich sollte ausgespart bleiben.
PhytoDoc: Herr Wowra, Sie sind Mitglied der Arbeitsgemeinschaft deutscher TCM- Apotheken und führen u. a. auch andere alternative Naturheilmittel. Worin sehen Sie Vorteile pflanzlicher Insektenschutzm
Herr Wowra: Pflanzliche und andere alternative Arzneimittel eigen sich besonders zur Behandlung von leichteren Beschwerden und können auch im Bereich des Insektenschutzes eingesetzt werden, wobei ihre Wirkungsweise schonend ist. Besonders Mütter greifen zunehmend zu hautverträglichen und schonenden Produkten für ihre jungen Kinder.
PhytoDoc: Herr Dr. Musselmann, worin liegen für Sie die Vorteile natürlicher Präparate im Vergleich zu synthetisch hergestellten?
Herr Dr. Musselmann: Zunächst einmal: Präparate, die auf pflanzlichen Inhaltsstoffen basieren, sind insgesamt gut verträglich und auch bei Kindern bedenkenlos anzuwenden. Nur im Bereich der Atemwege muss man mit ätherischen Ölen aufpassen (Gefahr des Atemstillstandes bei Säuglingen und Kleinkindern). Bei eigener Herstellung ist darauf zu achten, dass die Öle nicht konzentriert aufgetragen werden, d. h. sie sollten gegebenenfalls mit einer Bodylotion oder Creme verdünnt werden. Des Weiteren verzichte ich doch gerne auf chemisch hergestellte Angebote, wenn ich auf natürliche Produkte, die ähnlich effektiv sind, zurückgreifen kann. Viele Öle pflegen und schützen die Haut vorm Austrocknen und wirken vitalisierend.
PhytoDoc: Frische Luft tut uns gut. Welches Insektenschutzmittel würden Sie empfehlen für Aktivitäten im Freien?
Herr Dr. Musselmann: Besonders zu empfehlen sind Produkte, die Walnussöl enthalten. Aber auch Citronella- und Eukalyptusöl-Präparate sind sehr hilfreich. Diese Inhaltsstoffe finden sich etwa bei Zedan (von MM-Cosmetic) oder teilweise auch bei Bambule Hautöl (von Aries). Die Produkte können kurze Zeit leicht brennen. Bei sehr empfindlicher Haut (z. B. Neurodermitis) eher aufpassen. Zumindest die Kinder dann vorbereiten. Das Brennen verschwindet schnell wieder.
PhytoDoc: Herr Wowra, welches pflanzliche Insektenschutzmittel würden Sie empfehlen? Und weshalb?
Herr Wowra: Auch ich kann Zedan empfehlen. Das Produkt basiert auf pflanzlichen Wirkstoffen und eignet sich auch zur Anwendung bei Kindern.
PhytoDoc: Herr Wowra, schützen alle Insektenschutzmittel auch vor Zecken?
Herr Wowra: Die Wirkungsweise von Repellents ist derzeit noch nicht gänzlich bekannt. Gleichwohl versprechen Hersteller verschiedener Produkte, mit diesem auch einen Schutz vor Zecken bieten zu können.
PhytoDoc: Gibt es für Kinder und Schwangere bei der Auswahl von Insektenschutzmittel etwas zu beachten? Welches Produkt ist verträglich?
Herr Wowra: Ja, allerdings. Für Kinder unter 12 Monaten empfehle ich ausschließlich mechanische Produkte einzusetzen, d. h. beispielsweise ein Moskitonetz aufzuspannen, oder das Kind durch entsprechend lange, helle Kleidung schützen. Gegebenenfalls kann man sich auch in einen geschlossenen, mückenfreien Raum zurückziehen. Ätherische Öle sollten bei Kleinkindern nur in Maßen eingesetzt werden und das Gesicht stets ausgespart bleiben, da die Öle Atemwegsreizungen hervorrufen können. Auch für Schwangere bieten sich sanfte Insektenschutzmittel an, die fast jeder Hersteller im Sortiment führt.
PhytoDoc: Welches Produkt kann bei Hautirritationen, Sonnenbrand oder anderen Wundvorkommen verwendet werden?
Herr Wowra: Ist die Haut geschädigt, so sollte sie sich am besten zuerst regenerieren. Andernfalls sollten betroffene Stellen gemieden werden und lediglich mäßig Insektenschutzmittel aufgetragen werden.
PhytoDoc: Was halten Sie von Antimückenarmbändern? Können sie versprochene Repellentwirkung halten, obwohl sie lediglich punktuell am Körper getragen werden?
Herr Wowra: Antimückenarmbänder bieten den Vorteil, dass die Wirkstoffe nicht in direktem Hautkontakt stehen. Auch andere Insektenschutzmittel sollten so dosiert werden, dass sie nicht körperbedeckend verwendet werden, sondern punktuell.
PhytoDoc: Während des Camping-Urlaubes oder zu Hause auf der Terrasse wünscht man sich eine Mücken-freie-Zone. Gibt es Produkte, die nicht auf oder am Körper getragen werden müssen und trotzdem schütz
Herr Wowra: Schützen kann in diesem Fall beispielsweise eine Citronella-Duftöl-Lampe und eine Reihe anderer ätherische Öle, die zum Verdampfen gebracht werden. Allerdings werden durch Licht und Feuer weitere Mücken angezogen.
PhytoDoc: Leider lässt es sich nicht immer vermeiden, gestochen zu werden, doch was ist dann zu tun Herr Dr. Musselmann?
Herr Dr. Musselmann: In einem solchen Fall kann man auf ein Hausmittel zurückgreifen: ein leicht abgekühltes gekochtes Ei oder ein heißer Löffel (beides um die 45°C warm) kurzzeitig auf die betroffene Stelle drücken, dies schützt vor allergischer Reaktion. Alternativ können der Click-Away von Care Plus oder ähnliche Produkte helfen. Anhand kleiner Stromimpulse nimmt er den Juckreiz selbst bei Bienen- und Wespenstichen und verhindert eine Schwellung. Bei vielen meiner Patienten und bei meiner Familie konnte ich die hervorragende Juckreiz-vorbeugende, -stillende und antiallergische Wirkung beobachten.
PhytoDoc: Herr Wowra, birgt ein Insektenstich in unserem Breitengrad eine ernsthafte Gefahr?
Herr Wowra: Es ist zu unterscheiden, ob es sich bei der betroffenen Person um ein Kind, einen Erwachsenen, einen Allergiker oder eine Person ohne allergische Reaktionen handelt. Bei Kindern und Allergikern ist besondere Vorsicht geboten. Oftmals ist eine Allergie bei Kindern noch nicht diagnostiziert; gerade dann entsteht bei einem Wespen- oder Bienenstich eine ernsthafte, nicht zu unterschätzende Situation.
PhytoDoc: Herr Dr. Musselmann, zu welcher gesundheitlichen Bedrohung kann es denn für den Einzelnen und speziell den Allergiker kommen? Und welche Symptome treten auf?
Herr Dr. Musselmann: Allergiker laufen Gefahr, einen anaphylaktischen Schock (schwerste Form der allergischen Sofortreaktion) zu erleiden, dessen Folgen (Atemnot/ Atemstillstand) unter Umständen zum Tode führen.Auch in unseren Breitengraden können Stechmücken ernste Infektionen verursachen, die zu einer Vergiftung führen. Dafür können u. a. Erreger verantwortlich sein, die sich in Aas oder Kot befinden und von der Mücke aufgenommen und übertragen werden. Eine Infektion zeigt sich meist dadurch, dass die betroffene Stelle ungewöhnlich dick und warm wird und schmerzt. In einem solchen Fall sollte unverzüglich ein Arzt konsultiert werden, der meist mit einem Antibiotikum und/oder Kortison behandeln wird. Kortison wird verabreicht, wenn die allergische Reaktion auf die von den Insekten injizierten Stoffe im Vordergrund steht.
PhytoDoc: Wie sollte bei den unterschiedlichen Symptomen reagiert bzw. behandelt werden? Welche Produkte würden Sie dazu empfehlen?
Herr Dr. Musselmann: Hochgradige Allergiker sollten für höhergradige allergische Reaktionen (mit generalisierer Urtikaria: Quaddeln am ganzen Körper, Atemnot, Anschwellung der Atemwege, u. U. Herzstillstand) antiallergische Substanzen mit sich führen, die sie sich gegebenenfalls selbst verabreichen oder verabreicht bekommen können. Ein solches Notfall-Kit besteht häufig aus Kortison (z.B. Celestamine N 0,5 liqu.) und einem Antiallergikum (z. B. Loratadin, Cetirizin, Terfenadin).Zur Behandlung und Vorbeugung lebensbedrohliche anaphylaktische Reaktionen gibt es Produkte, die direkt in den Oberschenkel injiziert werden können (z. B. Anapen oder Fastjekt von Meda). Diese enthalten den wirksamsten antiallergischen Stoff: Adrenalin bzw. Epinephrin. Dieser muss wegen möglicher erheblicher Nebenwirkungen (Herzrhythmusstörungen, Blutdruckanstieg, Herzrasen etc.) angepasst dosiert werden. Bei vorwiegenden Symptomen im Bereich der tieferen Atemwege (Asthma-Symptome, Atemnot) sollte zusätzlich ein atemwegserweiterndes Spray (z. B. Salbutamol: 2Hübe) inhaliert werden. Beim anaphylaktischen Schock werden 10-15 Sprühstöße Epinephrin (InfectoKrupp Inhal) empfohlen. Dann sind zur vollständigen Unterbindung der Schockreaktion auch H1-Blocker wie Ranitidin oder Cimetidin sinnvoll.
PhytoDoc: Herr Wowra, zum Abschluss würden wir natürlich gerne wissen, welches Insektenschutzmittel Sie nutzen?
Herr Wowra: Im Großen und Ganzen nutze ich sehr selten Insektenschutzmittel, weil ich es meist vergesse aufzutragen.
PhytoDoc bedankt sich recht herzlich bei Herrn Stefan Wowra und Herrn Dr. med. Berthold Musselmann für das Gespräch. Das Interview führte Johannes Stumpf.