Heilwirkung von Gelbem Enzian
Bitter wirkt am besten über die Zunge?Man dachte sehr lange, dass die Wahrnehmung der Bitternis über die Zungennerven wesentlich an der Wirkung beteiligt ist. Allerdings zeigen neuere Untersuchungen, dass auch bei Applikation in den Magen (zum Beispiel über Kapseln), eine Anregung der Sekretproduktion in Magen und Darm sowie des Gallenflusses folgt.
Dabei werden sehr wahrscheinlich verschiedene Reaktionen stimuliert:
- Anregung der Speichelproduktion
- Produktion von Salzsäure und Pepsin (Magen)
- Steigerung der Sekretabgabe der Bauchspeicheldrüse
- Abgabe von Gastrin, einem Hormon, das den Verdauungstrakt auf die Nahrung vorbereitet
- Entleerung der Gallenblase in den Dünndarm
- Produktion von Gallensekret
- Steigerung der Magen- und Darmbewegung
- Anregung der Schleimhautdurchblutung
Die ausgelösten Reaktionen sind nicht einfach nachzuweisen und es liegen nur Hinweise aus Labor- und Tierversuchen vor, sowie wenige klinische Experimente am Menschen. Dennoch steht die verdauungsfördernde Wirkung von Bitterstoffen außer Frage. In einer ersten Studie (ohne Kontrollgruppe) berichteten die Patienten eine Besserung ihrer Beschwerden durch fünf Kapseln mit 120 mg Trockenextrakt pro Tag. Ausgewertet worden waren Verdauungsstörungen wie Blähungen, Verstopfung, Appetitverlust, Bauchschmerzen, Sodbrennen, Übelkeit, Erbrechen und Völlegefühl.
So ist der Gelbe Enzian ein traditionelles bitteres Stärkungsmittel und wird zur Anregung des Appetits in Roborantien und Tonica, wie dem Schwedenbitter zugesetzt. Einsatz findet er bei Appetitmangel in der Rekonvaleszenzphase, bei Abmagerung (z.B. durch Krebs und Essstörungen) sowie bei Verdauungsstörungen wegen mangelnder Produktion von Verdauungssäften. Bei Blähungen wird Enzianwurzel mit Fenchel, Kümmel, Kamille und/oder Pfefferminze kombiniert. Im Übrigen wirkte der Enzian-Extrakt im Laborversuch gegen krampfartige Darmbewegungen wie sie bei entzündlichen Darmreizungen vorkommen.
Bitterstoffe sind verdünnt immer noch bitter, daher sind entsprechende Präparate auch in der Homöopathie beliebt. Haupteinsatzgebiet sind Verdauungsstörungen und Aufstoßen, seltener Kopfschmerzen und Schwindel.
Enzian gegen Infektionen?
In der Tat zeigen Enzianextrakte antimikrobielle Eigenschaften. Dabei verstärken sich verschiedene Einzelbestandteile. Extrakte mit dem Lösungsmittel Methanol aus Blüten und Blättern zeigen gewisse antibiotische Aktivitäten gegen verschiedene Bakterien, desgleichen alkoholische Extrakte aus der Wurzel. Auch der Magenkeim Helicobacter pylori verträgt die Bitterstoffe nicht. Ein wässriger Wurzelextrakt wirkte gegen verschiedene Pilze. Immun gegen einen Wurzelextrakt ist dagegen die Hefe Candida.
Schutz der Schleimhaut
Darüber hinaus konnte im Tierversuch nachgewiesen werden, dass offensichtlich auch mehr Bronchialsekret gebildet wird, was die Selbstreinigung der Schleimhäute fördert. Enzian wird daher auch in Heilkräutermischungen gegen Schnupfen und Nebenhöhlenerkrankungen (Rhinosinusitis) zugesetzt, um die Verflüssigung des stockenden Sekrets zu bewirken. Des Weiteren gibt es Belege aus Tierversuchen, dass ein Methanolextrakt aus der Wurzel die Magenschleimhaut schützt.
Auch eine entzündungshemmende Wirkung wird angenommen: Bei den entzündlichen Darmerkrankungen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn ist die Menge an Antikörpern (vom Typ IgA) erhöht. Diese abnorme Reaktion ließ sich in einer kleinen Studie mit Gelbem Enzian (3 x 20 Tropfen Tinktur, für 8 Tage) senken. Größer angelegte klinische Studien müssen folgen.
Doch der Enzian dämpft nicht nur die Immunantwort, auch eine Stimulation der Fressaktivität weißer Blutzellen durch den Wurzelextrakt ist experimentell belegt. So geht man von einer „immunmodulierenden“ Gesamtwirkung aus. Genauere Untersuchungen wären wünschenswert.
Sonstige traditionelle Anwendungen
Einige traditionelle Anwendungen entbehren genauerer Untersuchungen:
- Einsatz bei Fieber (über die antibiotische und immunanregende Wirkung?)
- Entgiftung und Reinigung (über die leberschützende Aktivität oder die Stimulation von Leber und Galle?)
- Emmenagoge Wirkung (= Stimulation der Menstruation: über die Anregung der Schleimhautdurchblutung und die Hormonwirkung der Phytosterole?)
- Menstruationsbeschwerden (über die entkrampfende Wirkung?)
- Beruhigungsmittel (Versuche an Mäusen lassen annehmen, dass es zu Effekten auf die Nerven kommt wie Schmerzlindernung sowie zu einer Stärkung der Ausdauer. Es gibt keine Hinweise auf einen sedierenden Effekt).
- Diabetes (über Stimulation der Bauchspeicheldrüse und über schützende antioxidative Eigenschaften?)
Bis genauere Untersuchungen erfolgt sind, kann die Anwendung des Gelben Enzians bei diesen Beschwerden nicht empfohlen werden.