Botanik: Aussehen und Herkunft
© biolib- Flora Batava, Volume 6 (1832)
Der Schwarze Holunder (Sambucus nigra ) aus der Familie der Geißblattgewächse (Caprifoliaceae ) wächst als Strauch oder kleiner Baum (bis zu 8 m) mit sparrigen Ästen. Die gegenständigen Blätter sind unpaarig gefiedert und tragen einen gesägten Rand. Fährt der Wind durch den Holunder, sieht man die hellere Blattunterseite. Im Mai bis Juni verströmen die schirmförmigen Trugdolden aus zahlreichen winzigen Einzelblüten ihren aromatischen Duft. Später beugen die süßen, schwarzen und saftreichen Holunderbeeren die Äste. Die Zweige haben im Übrigen ein weiches, weißes Mark und ihre Rinde löst sich leicht ab. Das reizt Bastler zur Fertigung von Spielzeugen wie Pfeifen, Wasserspritzen, Knall- und Pusterohren.
Der Schwarze Holunder ist in ganz Europa, Asien und Nordafrika beheimatet, im östlichen Nordamerika findet man S. canadensis . Beeren und Blüten für Tees stammen aus Wildsammlungen in Osteuropa und Westasien, in Ungarn erfolgt plantagenmäßiger Anbau. Dabei ist Holunder sehr anspruchslos und säumt zum Beispiel Wald-, Weg- und Straßenränder oder wächst auf Schuttplätzen oder in Auwäldern.
Ähnlich ist der häufig kultivierte Kanadische Holunder (S. canadensis ); auch die Blätter, Früchte und Wurzeln des Attich oder Zwergholunders (S. ebulus ) werden genutzt.
Unglaublich vielseitig
Aus Holunderblüten stellt man wegen des reichen Aromas auch Sirup, Erfrischungsgetränke und Sekt her ("Holundersekt"). Die in Teig ausgebackenen Holunderblüten sind eine kulinarische Delikatesse, aber auch der Beerensaft oder die Marmeladen bereichern die Küche. Die Rinde, Blätter und Beeren wurden früher zum Färben von Stoff und Leder verwendet, heute nutzt man die prächtige Beerenfarbe in der Nahrungsmittelindustrie als natürlichen Farbstoff. Pharmazeutisch verwendet wurden Rinde, Wurzel, Blätter, Blüten und Beeren gegen allerlei Gebrechen. Kein Wunder, dass dem Holunder sagenhafte Kräfte zugesprochen wurden, die Haus und Hof schützen sollten. Heute nutzt man aber nur noch getrocknete Blüten ohne Stängel (Sambuci flos ) sowie frische oder getrocknete Früchte (Sambuci fructus ).
Die zuckerbindenden Proteine (Lektine) aus wässrigen Fruchtextrakten haben ganz moderne Einsatzmöglichkeiten: Sie werden für blutgruppenspezifische Reaktionen oder zur Charakterisierung von Stammzellen und Krebszellen im Labor genutzt.
Gewinnung
Für die Blütenpräparate werden die ganzen voll aufgeblühten Blütenstände geerntet und an den Stängeln auf Darren getrocknet. Die Blüten werden später von den Dolden abgerebelt und über Sieben abgetrennt. Bei unsachgemäßer Verarbeitung oder Aufbewahrung verfärbt sich die Ware braun. Gehandelt werden darf nur Ware mit weniger als 15% braunen Blüten („Sambuci flos“). Das Arzneibuch fordert einen Mindestgehalt von 0,8 Prozent Flavonoid en.
Die Blätter werden im jungen Zustand geerntet und getrocknet.
Beeren werden reif geerntet und entsaftet. Unreife Beeren und Blätter sind qualitätsmindernd.
Heilwirkung von Holunder
Früher stand auf jedem Hof ganz selbstverständlich ein Holunderbusch, war er doch Apotheke und anspruchslose Nutzpflanze in einem.
Blüten
Es gibt Hinweise, dass die Blüteninhaltsstoffe harntreibende, abführende, schwach entzündungshemmende und antivirale Aktivität besitzen:
Holunderblüten verwendet man traditionell bei Erkältungen, Grippe, Husten, Kehlkopfentzündung und Katarrhen der oberen Luftwege, aber auch bei Heuschnupfen. Holunderblüten sind oft in Teemischungen und anderen Phytopharmaka enthalten. Man nimmt an, dass sie die Schleimsekretion fördern und damit das Abhusten erleichtern, außerdem auch das Abfließen von stockendem Sekret aus der Nase.
Blüten wirken außerdem schweißtreibend
In den Blüten sind mehrere schweißtreibende Wirkstoffe enthalten, die eine Verwendung als schweißtreibenden Tee gleich zu Beginn einer Erkältungskrankheit rechtfertigen. Durch die erhöhte Körpertemperatur (wie künstliches Fieber) werden die Viren bekämpft und so kann ein stärkerer Ausbruch verhindert werden.
Weiterhin nutzt die Volksmedizin den Holunder als Gurgelwasser und Mundspülflüssigkeit sowie in Form von Kräuterkissen bei Schwellungen und Entzündungen. Blüten werden traditionell Rheumatees zugesetzt. Zur antiinflamatorischen Wirkung liegen nur wenige Daten vor. Der Laborversuch hat immerhin eine antibakterielle und eine moderat antientzündliche Wirkung eines alkoholischen Blütenextrakts bestätigt.
Holunder soll die Erregbarkeit der Schweißdrüsen bei Hitze steigern. Für Schwitzbäder werden Holunderblüten mit Lindenblüten gemischt. anschließend gut zudecken und die Wärme aushalten.
Beeren
Die frischen - insbesondere die unreifen - Beeren sind wegen eines cyanogenen Glycosids (Sambunigrin) schwach giftig und weder für Kinder noch empfindliche Personen geeignet. Verträglicher sind die erhitzen Produkte. Getrocknete Früchte oder frischer Fruchtsaft sind ein traditionelles Mittel mit harntreibender und schweißtreibender Wirkung, oft eingesetzt auch bei fiebrigem Katarrh. Daneben sind die Beeren besonders wertvoll wegen ihres Reichtums an Mineralien und Vitaminen, wenn auch vom Geschmack her gewöhnungsbedürftig.
Virenkiller
In einer Laborstudie erwies sich der Extrakt aus den Beeren als antiviral wirksam gegen Influenza viren H5N1/ H1N1 Typ A und B. Eine sehr kleine klinische Studie am Menschen bestätigte die Beobachtung. Mit dem Holunderpräparat gesundeten 13 der 15 Probanden innerhalb von drei Tagen, in der Kontrollgruppe waren es nur 4 von 12. Man erklärt dise damit, dass die enthaltenen Flavonoid e an Influenza viren binden und damit ihr infektiöses Potential reduzieren.
Übrigens soll der Extrakt auch im Schwein und Geflügel wirken, also in den Wirten, in denen sich die gefährlichen Grippeviren halten und immer neu entwickeln. Traditionell wird Holunder ebenfalls bei Herpes-Viren eingesetzt.
Bakterienschreck
Eine gefürchtete Komplikation bei Grippe ist eine bakterielle Superinfektion der geschädigten oberen Atemwege und der Lunge. Auch hier konnte der Extrakt punkten: Er hemmte das Wachstum verschiedener pathogen er Bakterien (Streptococcus pyogenes, Streptococcus Gruppe G, Streptococcus aureus (MRSA), Branhamella catarrhalis , Bacillus cereus, Pseudomonas aeruginosa u.s.w.). Zu klären ist, ob diese Wirkung bei den üblichen Dosierungen auch in der Praxis eintritt.
Das „blaue“ Wunder
Aufgrund ihres Anthocyangehalts schreibt man den blau-roten Holunderfrüchten antioxidativ e Wirkung zu. Die Wirkstoffe werden tatsächlich ins Blut aufgenommen und erhöhen den antioxidativ en Schutz im Blut von Probanden. Bei diesen Daten liegt es nahe, die Wirkung auf das Herz-Kreislaufsystem zu untersuchen: Im Tierversuch ist eine Reduktion des Infarktrisikos sowie eine schützende Wirkung auf das Koronarsystem gezeigt worden.
Neuere Studien weisen blau oder rot gefärbten Beerenfrüchten (Heidelbeeren, Brombeeren, Weintrauben, Erdbeeren, Cranberries, Maulbeeren) darüber hinaus einen positiven Effekt gegen neurodegenerative Prozesse im Gehirn zu. Auch Holunderbeeren sind durch ihre Inhaltstoffe viel versprechende Kandidaten für solche Wirkungen.
Stoffwechsel
Erste Untersuchungen lassen vermuten, dass ein Extrakt aus Holunderbeeren und -blüten einen Beitrag zur Behandlung von Diabetes Typ2 liefern könnte, in dem es ähnlich wie die Stoffgruppe der Glitazone den Glucosestoffwechsel sowie die Insulin sensitivität verbessert. Dabei dürften mehrere Inhaltsstoffe zusammenarbeiten. Die Polyphenol e schützen insbesondere bei diabetischer Stoffwechsellage vor den oxidativen Vorgängen im Blut. Noch gibt es keine klinischen Studien für die Anwendung am Menschen.
Sonstiges
Als Umstimmungsmittel sollen sie bei Schuppenflechte nützlich sein. In großen Mengen ist der Saft als Abführmittel und im Tierversuch auch gegen Darmentzündung (Colitis) geeignet. Ein wässriger Beerenextrakt wirkt bei Ratten schmerzstillend
Blätter
Die getrockneten jungen Blätter kommen innerlich zur Anregung der Schweißbildung und des Harnflusses zum Einsatz, sowie gegen Verstopfung. Äußerlich sollen die gequetschten frischen Blätter als Umschläge helfen bei: Kopfschmerzen, Geschwüren, Verbrennungen , Sonnenbrand, Insektenstichen, Wunden und Entzündungen. Laborstudien haben allerdings bisher keine antibakterielle Wirkung im Blattsaft finden können.
Wurzel
Die Wurzel oder die Wurzelrinde sind ein traditionelles Mittel bei Verstopfung und bei verschiedenen Harnbeschwerden wie Harndrang mit geringem Harnabgang, bei Nieren- und Blasenleiden, bei Wassersucht, Muskel- und Gelenkrheumatismus sowie bei Ödeme n. Die Wurzel des Holunders ist auch ein Zusatz von "Blutreinigungstees", hier fehlen allerdings noch Daten zur Wirksamkeit.
Bild-Link zu Erkrankungen, bei denen Holunder gesichert helfen kann
Bild-Link zu Erkrankungen, bei denen Holunder aus Erfahrung helfen kann
Nebenwirkungen von Holunder
Folgende Nebenwirkungen des Holunders sind zu beachten: Besonders bei Kindern kann der Verzehr roher Früchte Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auslösen. Auch für Erwachsene gilt: größere Mengen Holunderbeeren nur erhitzt genießen . Durch das Kochen werden diese Nebenwirkungen verhindert.
Holunder in Schwangerschaft und Stillzeit?
Zur Anwendung von Holunder während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie für Anwendung bei kleinen Kindern gibt es keine wissenschaftlichen Daten zur Unbedenklichkeit.
Allerdings: Nach traditionellen Angaben sind Holunderblütentees für Stillende geeignet.
Praktische Anwendung: Produkte & Hausmittel
Die getrockneten Blüten werden im Filterbeutel angeboten (Tee), pulverisierte Holunderblüten in Form von Dragees. Extrakt e aus Holunderblüten gibt es als Fertigarzneimittel in Form von Kautabletten, Tropfen und Saft auch in zahlreichen Kombinationen mit anderen Heilpflanzen.
Die Beeren verarbeitet man üblicherweise als Saft oder getrocknete Früchte. Extrakt e und Tinktur en davon sind auch in Kombinationspräparaten enthalten.
Erkältungstee: Dosierung und Ziehzeit
Tee : 3 g Blüten werden mit 150 ml kochendem Wasser aufgegossen, 5-10 Minuten ziehen lassen, mehrmals täglich trinken; durchschnittliche Tagesdosis 10–15 g.
Tinktur (1:5 in 25% Alkohol): 10-25 ml pro Tag
Früchte
Tee; 10 g Früchte werden mit 150 ml kochendem Wasser aufgegossen oder aufgekocht, 5-10 Minuten ziehen lassen, mehrmals täglich trinken; durchschnittliche Tagesdosis 10–15 g. Eventuell Geschmack mit Zitronensaft verbessern.
Blätter, Wurzel und Rinde
nicht mehr gebräuchlich, da schwer dosierbar. Dosierungen nicht verfügbar.
Holunderblüten selbst sammeln
© C. Heyer/Phytodoc
Sammeln Sie mit Bedacht, meiden Sie die mit Blattlaus befallenen Stellen und breiten anschließend das Sammelgut auf einem Tisch aus, so dass Insekten wegkrabbeln bzw. fliegen können. Für die Hollerküchle (siehe nachfolgendes Rezept) schneiden Sie die Blüte mit genug Stängel dran ab (siehe Foto) und transportieren dann die „Beute“ in einem Stoffbeutel.
Am besten schmecken die Blüten, wenn die Staubbeutel dick gelb sind und einzelne Blütchen leicht süß schmecken und aromatisch duften. Wenn Sie die Dolde abschneiden, dürfen die Blüten beim Schütteln nicht abfallen. Dann sind sie schon zu weit.
Die Blüten anschließend trocknen, abrebeln und lichtgeschützt und gut verschlossen aufbewahren. Die darin enthaltenen Flavonoid e (vor allem Rutin) und die ätherischen Öle wirken schweißtreibend.
Rezept: Hollerküchle
Zutaten:
ca. 15 Holunderblütendolden (Blüten dürfen beim Schütteln nicht abfallen) 2 Eier 2 Esslöffel Mineralwasser 1 EL Zucker 4 EL Mehl 1 Messerspitze Backpulver 3 EL Milch Öl zum Frittieren (Rapsöl, Erdnussöl), von der Menge so viel, dass der Boden ein paar Zentimeter bedeckt ist Vorbereitung:
Holunderblüten vorsichtig auf einem Tuch auslegen und Insekten Gelegenheit geben, wegzukrabbeln. Nicht waschen , da sonst Pollen und Nektar ausgewaschen werden, die für den unvergleichlichen Duft verantwortlich sind.
Zubereitung:
Zuerst die Eier mit dem Mineralwasser schlagen. Dann Zucker, Milch, Mehl und Backpulver (am besten Mehl sieben und Backpulver daruntermischen) zugeben und zu einem Teig verrühren. Der Teig sollte nicht zu dick sein, im Zweifel etwas mehr Flüssigkeit dazugeben.
Nun werden die Blüten in den Teig getaucht und in Fett ausgebacken. Am besten eignen sich Blüten mit langem Stiel, da man diese einfach in den Teig eintauchen kann.
Alternativ kann der Teig auch mit Wein oder Bier, anstatt mit Mineralwasser, zubereitet werden.
Öl in einem Topf erhitzen. Holunderblüten am Stiel anfassen und in den Teig tauchen. Danach mit dem Stiel nach oben ins heiße Fett legen und etwa 2 Minuten schwimmend ausbacken. Herausnehmen, auf Küchenkrepp abtropfen lassen und am besten heiß servieren.