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Interview mit Professor Remer: Ab wann wird eine säurebetonte Ernährung ungesund?

Junger Mann liebäugelt mit einem riesigen Burger.
© New Africa - Fotolia.com

Professor Dr. Thomas Remer ist Ernährungswissenschaftler an der Universität Bonn und forscht dort zum Thema Säuren-Basen-Haushalt. Für PhytoDoc hat er häufig gestellte Fragen zum Thema beantwortet und gewährt uns Einblicke in seine neuesten Forschungsergebnisse.

Von: Corinna Heyer

Was besagt das Konzept des Säuren-Basen-Haushalts?

Der Blut-pH, das heißt die Konzentration an sogenannten freien Protonen oder H+-Ionen ist eng reguliert. Über diesen sehr engen Bereich hinausgehende Abweichungen führen zu Störungen wichtiger Stoffwechselfunktionen. Deshalb wird jeglicher Säure- oder H+-Überschuss, der den physiologischen Blut pH verändert – sofern keine Erkrankung vorliegt – rasch ausgeschieden.

PhytoDoc: Wie werden die Säuren ausgeschieden?

Im Falle der Säurebelastung durch Kohlensäure erfolgt die Abatmung als CO2 über die Lunge. In allen anderen Fällen übernimmt die Niere die Ausscheidung. Hierzu muss sie aber eine Trägersubstanz bereitstellen, die den allergrößten Teil der ausscheidungspflichtigen Säuren „bindet“.

Es handelt sich um das Zellgift Ammoniak (NH3), das im Nierenparenchym angereichert wird, um jeweils ein Proton (H+) aufzunehmen und dieses als NH4+ zusammen mit dem ausscheidungspflichtigen negativ geladenen „Säurerest“ (z.B. Chlorid- oder Sulfat- -) zu eliminieren.

Enthält die Nahrung einen Überschuss an den Mineralstoffen Kalium, Magnesium, Calcium oder Natrium, dann bedarf es keiner gesteigerten Ammoniak-Produktion, die als Ammoniogenese bezeichnet wird. Der Nierenstoffwechsel wird also geschont.

Überschüssige Chlorid-, Phosphat- oder Sulfat-Anionen, etwa aus dem Eiweißabbau, können direkt z.B. als Kaliumchlorid oder Natriumsulfat ausgeschieden werden. Kochsalz, also Natriumchlorid, hat dementsprechend keine unmittelbare Auswirkung auf die Pufferung bzw. die Ammoniak-Bereitstellung in der Niere, da es direkt ausgeschieden werden kann.

Ab wie vielen Jahren wird eine ständige Säurelast ungesund?

Ob und nach welchem Zeitraum eine langfristig erhöhte Säurelast schädliche Auswirkungen zeigt, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Gesunde nicht übergewichtige Personen mit genetisch guter Nierenfunktion und guter Knochenmineralisation vertragen sicherlich auch eine jahrelang säurelastige Ernährung ohne deutliche Gesundheitseinbußen. 

Anders sieht es bei an sich gesunden Personen aus, die genetisch vorbelastet sind und zunächst nur sehr leichte metabolische Störungen, eine ungünstige Knochenmineralisierung oder eine „nicht-optimale“ Nierenfunktion aufweisen. Hier reichen vermutlich wenige Jahre, bis erste Funktionseinbußen auftreten können. 

Hormon- und Nierenstoffwechsel werden allerdings zum Zwecke der unmittelbaren Gegenregulierung direkt durch einen Anstieg der Säurebelastung beeinflusst. Doch auch diese Veränderungen führen – wie bereits erwähnt – bei entsprechend vorbelasteten Personen erst nach Jahren zu Störungen.

Worin liegt die Gefahr, wenn der Körper über Jahre eine hohe Säurelast ausscheiden muss?

Die Gefahr für entsprechend empfindliche Menschen kann in einer Verschlechterung der Knochenmineralisation, in einem beschleunigten Rückgang der Nierenfunktion, in einem erhöhten Nierenstein- und Harnstein-Bildungsrisiko, überhöhten Magnesiumverlusten, ansteigenden Harnsäure-Serumspiegeln und erhöhten Blutdruckwerten bestehen.

Warum genau kann die Knochendichte abnehmen?

Die Knochenstabilität kann sich verschlechtern, weil sich die hormonelle Situation ungünstig verändert. Die Produktion und Wirkung des Stresshormons Kortisol nimmt zu. Eine Ablagerung von Säuren im Bindegewebe findet nicht statt.

Können Sie das näher erläutern?

Seit längerem ist bekannt, dass Personen mit einer überhöhten körpereigenen Cortisol-Produktion, ebenso wie Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die längerfristig Cortisol-Präparate (auch Cortison genannt) einnehmen, ein erhöhtes Osteoporose- und Frakturrisiko haben.

Cortisol ist ein lebenswichtiges Hormon, das sowohl auf die knochenaufbauenden als auch auf die -abbauenden Knochenzellen wirkt. Im ausbalancierten Stoffwechsel fördert Cortisol den Knochenerhalt. Bei über diesen Zustand hinausgehenden Cortisol-Anstiegen überwiegt der stimulierende Einfluss auf die knochenabbauenden Zellen, also auf die sogenannten Osteoklasten und es kommt zu Knochenmineralverlusten.

Man liest häufig, dass überschüssige Säuren im Bindegewebe abgelagert werden, stimmt das?

Nein, eine Ablagerung von Säuren im Bindegewebe findet nicht statt.

Was gibt es an neuen Forschungsergebnissen zu berichten?

Kinder und Jugendliche mit mehr Körperfett, also Übergewichtige, können Säuren schlechter ausscheiden als normalgewichtige oder schlanke Kinder.

Warum ist das so?

Das metabolisch eher träge Körperfettgewebe ist „in Sachen“ Hormon- und Entzündungsfaktor-Produktion ein durchaus aktives Organ. Je mehr Körperfett, insbesondere je mehr Bauchfett, umso höher die Abgabe bestimmter Hormone und entzündungsfördernder Botenstoffe an das Blut und umso niedriger die Freisetzung entzündungshemmender Faktoren. 

Dass die Nierenfunktion auf diesem Weg durch ein Mehr an Körperfett beeinflusst wird, erscheint wahrscheinlich, ist aber noch nicht genau erforscht. Diese Thematik wollen wir deshalb in naher Zukunft bei unseren erwachsenen Teilnehmern an der DONALD Studie etwas genauer wissenschaftlich untersuchen.

Stress ist Normalzustand heute – was macht Stress mit unserem Stoffwechsel?

Stress, der zum einen nicht durch ausreichende Bewegung ausgeglichen wird, zum anderen bei erhöhtem Körpergewicht auftritt und außerdem auf eine ungünstige genetische Ausstattung oder Vorerkrankungen trifft, beeinflusst nicht nur Blutdruck und Knochengesundheit negativ, sondern auch eine Reihe verschiedener Stoffwechselfunktionen.

Und zum Schluss noch eine persönliche Frage: Ernähren Sie sich bewusst basenreich? Und wenn ja, gibt es da ein Lieblingsgericht?

Kein Tag vollkommen ohne Obst & Gemüse. Meistens jedoch hiervon reichlich, und dazu passt immer mal wieder ein gutes Stück Fleisch, gerne mit Kartoffeln. Ein Lieblingsgericht ist frisch zubereitetes Kartoffelpüree mit reichlich Karotten in Butter und Olivenöl „geschmort“ und mit Thymian oder Knoblauch gewürzt. Aber auch ein „guter“ Gulasch, wie gesagt mit Kartoffeln, zählt zu den Lieblingsspeisen.

PhytoDoc bedankt sich herzlich für das Gespräch!

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