Dickmacher unter den Darmbakterien
Bestimmte Darmbakterien sind mitverantwortlich für Adipositas
Bei Übergewichtigen werden von den Darmbaktereien mehr Kalorien aus der Nahrung herausgelöst als bei Schlanken.
Von: Dr. rer. nat. Ernst Grondal
Bakterienkultur des Darms ist überlebenswichtig
Im menschlichen Darm leben etwa 100 Billionen Bakterien, das sind 10 mal so viele wie Körperzellen. Ohne diese Bakterien könnten wir nicht überleben. Sie versorgen uns mit wichtigen Vitaminen und Nährstoffen, die wir nicht aus der Nahrung extrahieren können.
Wie wichtig die Zusammensetzung der Bakterienkultur (es leben mehr als 500 verschiedene Arten in unserem Darm) ist, zeigt sich, wenn man sie im Labor analysieren lässt.
Häufig findet sich bei chronischen Erkrankungen eine Dysbiose, also z. B. ein starkes Anwachsen einer oder mehrerer Arten. Das hat direkte Auswirkungen auf unser Immunsystem, das in großem Maße vom Darm beeinflusst wird.
Bakterien verantwortlich für Adipositas?
Nun sollen also die Bakterien auch für Adipositas verantwortlich sein.
Eine amerikanische Forschergruppe hat gefunden, dass bei Fettleibigen vermehrt die Gruppe der Fermicuten zu finden ist. Dies sind Bakterien, die mehr als die Hälfte aller im Darm lebenden Bakterien ausmacht. Daneben gibt es noch die Bacteroides, die den Rest der Bakterienflora ausmacht. Diese bei adipösen Patienten gefundenen Fermicuten sind nun in der Lage, auch die aufgenommenen Ballaststoffe zu verwerten und die Abbauprodukte dem Menschen zur Verfügung zu stellen. D.h. die Ernährung mit Ballaststoffen ist in diesem Fall völlig unsinnig, da auch deren Energie als Kalorien verwertet werde. Diese Ballaststoffe bestehen zum großen Teil aus Kohlenhydraten, die dann nach dem Aufspalten ein guter Kalorienlieferant sind. Es scheint also, dass sich die Fermicuten der Dicken mit der Zeit so umgewandelt haben, dass sie wesentlich mehr Kalorien aus der Nahrung extrahieren können als bei schlanken Menschen.
Als Beweis, dass tatsächlich diese Bakterien an der Adipositas beteiligt sind, hat man bei Mäusen ein Experiment gemacht, bei dem man aus dem Mäusekot von fetten und von normalen Mäusen die Bakterien isoliert hat und diese einem keimfreien Mäusestamm, also einem ohne Darmbaktereien, verfüttert hat. Das Ergebnis war, dass die Mäuse, die mit den Bakterien aus den fetten Mäusen gefüttert wurden auch selbst wieder fett wurden, wogegen die Mäuse mit den Bakterien aus normalem Mäusekot weiterhin normal blieben.
Was heißt das nun?
Der Begriff Ballaststoffe ist unspezifisch und wie viele Kalorien aus diesen Ballaststoffen herausgeholt werden, ist individuell verschieden. Und weil die Ballaststoffe immer als kalorienlose/-arme Wesen in der Nahrung herumschwirren, lässt diese Untersuchung das gesamte Konzept der Kalorienzählung wackeln. Weiterhin ist es etwas merkwürdig, dass alle über 100 Arten von Bakterien, die zu den Fermicuten zählen, ähnlich auf das Dickwerden reagieren und nicht irgendwelche Arten sich besonders hervortun. Eins jedenfalls ist klar: die Darmbesiedelung durch Bakterien ist ein immer noch unterschätzter Faktor in der Gesundheitsvorsorge. Und wir wissen immer noch nicht genug über all die Funktionen, die die Bakterien im menschlichen Körper innehaben. Man darf gespannt sein, was die weiteren Forschungen bringen.