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Oxidativer Stress

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Ein kleines blaues Molekül schwebt zwischen anderen.
© Jezper - Fotolia.com

Freie Radikale: Auf das Gleichgewicht kommt es an

Was man unter "oxidativem Stress" versteht, welche Ursachen ihm zugrunde liegt und welche Ergebnisse aus der Forschung uns nutzen können, ein tieferes Verständnis von oxidativem Stress zu bekommen, erfahren Sie hier.

Von: Berthold Musselmann

Was ist oxidativer Stress?

Oxidativer Stress ist eine ständige überschießende Bildung reaktiver Sauerstoffverbindungen (ROS = reactive oxygen species, Sauerstoffspezies) im Körper, die vorübergehende oder bleibende Schäden und ein beschleunigtes Altern im Körper auslösen können. Andererseits brauchen die Körperzellen auch Radikale, spezielle Vorgänge im Körper erfordern geradezu diese hochreaktiven Moleküle. Im Körper muss daher das richtige Gleichgewicht zwischen anti- und prooxidativen Substanzen erreicht werden.

Die wichtigsten Sauerstoffspezies (ROS) sind:
  • Superoxidanion (Hyperoxid-Anion): entsteht vorwiegend in der mitochondrialen Atmungskette, und zwar am Enzymkomplex I und vor allem am Enzymkomplex III.
  • Wasserstoffperoxid
  • Stickoxid-Radikal

Besonders gefährlich:

  • Hydroxyl-Radikal (bildet sich unter Mitwirkung von Eisen-Ionen)
  • Peroxynitrit-Anion: hemmt die CytochromC-Oxidase der Atmungskette im Gegensatz zum Stickoxid-Radikal nicht reversibel, sondern irreversibel, außerdem die Akonitase des Zitronensäurezyklus.

Ursachen

Aggressive Radikale entstehen im Alltag immer, wenn die mitochondriale Atmungskette vermehrt beansprucht wird, das heißt, wenn in den Zellen mehr Energie in Form von ATP benötigt wird. Häufig kann der Organismus mit einem vermehrtem Anfall von Radikalen gut leben, wenn er nicht zu lange besteht und wenn genügend Reserven im Körper vorhanden sind, um das Stresslevel schrittweise wieder auf ein körperverträgliches Maß zu reduzieren, wie es zum Beispiel bei sportlicher Aktivität der Fall ist. Hier „trainiert“ sozusagen der vorübergehend hohe Anfall von Radikalen alle antioxidativen Systeme des Körpers, die damit für den Ernstfall längerer oxidativer Belastung besser gerüstet sind. Das könnte ein Grund sein, warum körperliche Aktivität in Maßen das Leben verlängert.

Wann entstehen reaktive Sauerstoffverbindungen (Radikale)?

Freie Radikale, also reaktive Sauerstoffverbindungen bilden sich vorübergehend überschießend:

  • beim Sport (Fettverbrennung, erhöhte Aktivität der Mitochondrien, besonders im Muskel)
  • beim Purinabbau (Stoffwechsel der Erbsubstanz DANN: Abbau über Hypoxanthin zu Xanthin zu Harnsäure)
  • beim Abbau von Stresshormonen: Katecholamin-Oxidation
  • bei der Autooxidation von mit Sauerstoff gesättigtem roten Blutfarbstoff (Oxy-Hb)
  • beim Rauchen, bei Belastung mit UV-Strahlung oder mit Röntgen-/Gammastrahlung
  • bei Inkorporation von radioaktiven Isotopen
  • beim Essen und bei Aufnahme von Umweltgiften
  • bei erhöhter Aktivität des Immunsystems (in manchen Abwehrzellen erhöhte Aktivität der NADPH-Oxidase und Myeloperoxidase)
  • beim Arachidonsäure-Stoffwechsel, der mit Entzündungen assoziiert ist

Oxidativen Stress kann man als ein Grundprinzip von Krankheit überhaupt sehen, genauso, wie man „Entzündung“ als ein solches betrachten kann. 

Überall, wo der Körper mit Umwelt-/Körperstress nicht mehr klarkommt, kann es zu einer länger andauernden Störung der Balance zwischen schützenden Stoffen und aggressiven Radikalen kommen. Auch für eine typische Erkrankung des Alters – den Krebs – kann man beide Prozesse, Entzündung und oxidativen Stress, als wesentliche Faktoren ansehen, die in mehreren Schritten schließlich zur Entkopplung von Körperregulation und Zellwachstum/-kommunikation, also „Krebs“ führen. Beide Prozesse treten häufig gemeinsam auf. Eisen und Kupfer wirken als Beschleuniger der Radikalenbildung. Gesichert sind diese Zusammenhänge im einzelnen noch nicht.

Typische Krankheiten, die mit hohem oxidativen Stress einhergehen, sind Bluthochdruck (arterielle Hypertonie), Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) und Infektionen (und damit Entzündungen).

Radikale und Antioxidantien im (Un-) Gleichgewicht

Die Körperzellen brauchen freie Radikale

Die Körperzellen brauchen Radikale, spezielle Vorgänge im Körper erfordern geradezu diese hochreaktiven Moleküle: Wasserstoffperoxid (H2O2) wird für die Immunabwehr benötigt. Es ist einer der Bestandteile der antibakteriellen und antiviralen Abwehr-„Bomben“. 

Dabei handelt es sich um Bläschen, sog. Vesikel oder Granula, auch Lysosomen genannt, die bei einem Angriff auf Krankheitserreger diese zersetzen, indem die Erreger in die Abwehrzelle aufgenommen und mit diesem hochaktiven Chemiecocktail zusammengebracht werden. Sie werden in den für die Abwehr wichtigen Polymorphkernigen Neutrophilen Granulozyten (PNG, sog. Segmentkernige, die häufigste Art weißer Blutkörperchen) und den Monozyten (aktiviert als Fresszellen oder Makrophagen bezeichnet) in großen Mengen produziert.

Stickoxide (NO) werden für die Regulation der Durchblutung (Gefäßerweiterung) benötigt und für die Muskelversorgung. Radikalenfänger, sogenannte Antioxidantien können Signalwege unterdrücken, die z.B. Muskeln für eine reibungslose Funktion benötigen.

Es gilt also für die Zufuhr dieser Zell-, Krebs- und Altersschutzstoffe nicht „Viel hilft viel“. Im Körper muss das richtige Gleichgewicht zwischen anti- und prooxidativen Substanzen erreicht werden.

Bedarf an Antioxidantien

Dabei ist immer zu bedenken, dass bei hoher Belastung mit Radikalen, zum Beispiel beim Leistungssport, ein entsprechend höherer Bedarf besteht.

Steven Copp von der Kansas State City-Universität (Cardioresp. Exercise Lab) hat festgestellt, dass 1,5 Liter alkoholfreies gehopftes Weißbier (reich an Polyphenolen und Tanninen durch den Hopfen), getrunken während des Laufs, bei Marathonläufern in den zwei Wochen nach einem Marathonlauf bewirkt, dass dreimal weniger Infekte als unter Placebo-Bier (ohne Polyphenole/Tannine, nur mit wirkungslosen Farb- und Geschmacksstoffen) auftreten. 

Beim traditionell hergestellten Bier tragen auch Stoffe, die bei der bakteriellen Gärung auftreten, zum schützenden Effekt bei. Auch der traditionelle (und extrem leckere) Ausbau hochwertiger Weine im Eichenfass („Barrique“) führt zur Zufuhr antioxidativ wirksamer Tannine, also Gerbstoffe (Polyphenole), die gesundheitsfördernde Wirkung haben, vom begleitenden Alkohol einmal abgesehen. Auch vier Tabletten eines hochwertigen Sonnenhut-Extraktes (Echinacea) vor und nach dem Wettkampf haben nach unserer Erfahrung einen ähnlichen Effekt.

Wie immer im Bereich "gesundheitsfördernde Nahrungsstoffe/Nahrungsergänzung" gilt: die richtigen Stoffe in der richtigen Dosis zur richtigen Zeit und bei der körperlich passenden Situation und Verfassung. Hier spielen neben wissenschaftlichen Daten auch (Selbst-) Erfahrung, gesunder Menschenverstand und ein vernünftiges Maß eine große Rolle; nicht dagegen Marketing und Kommerz, der uns „Gesundheitskost und -pillen“ verkaufen will. 

Um das Ausprobieren ist man auf vielen Problemfeldern der Menschheit in der Geschichte nicht herumgekommen. Solche Optimierungen durch Versuch und Irrtum, auch oft am eigenen Leib, führen gerade bei komplexen Problemen wie Ernährung und Gesundheit mehr zum Ziel, als es Randomisierte Kontrollierte Studien (RCT) je können werden. Den die Anzahl der Einflussfaktoren macht RCTs auf den Feldern unmöglich. Dargelegt wurde diese Problematik zum Beispiel in dem erhellenden Wissenschafts- und Statistikbuch „Der Hund, der Eier legt.“ von Beck-Bornholdt und Dubben.

Bleiben Sie hier wachsam und vermeiden Sie insbesondere die Zufuhr von Einzelstoffen/-vitaminen/-nahrungsergänzungsmitteln in hohen (unphysiologischen, also den menschlichen Stoffwechsel überlastenden) Dosen über längere Zeiträume (über vier Wochen), ohne einen Therapeuten gesprochen zu haben, der sich hier wirklich auskennt und frei von Eigeninteresse am Verkauf der Substanzen ist.

Wie lässt sich Oxidativer Stress diagnostizieren?

Rationale Stufendiagnostik

Oxidativer Stress ist in seiner Bedeutung umstritten.

Glaubt man an die Relevanz des Themas für viele Symptome und Erkrankungen des Körpers, will man natürlich wissen, wer in welchem Maße von Radikalen belastet wird.

Für eine, soweit bei diesem Feld möglich, rationale Diagnostik gelten folgende Grundsätze:

  • Je größer der Oxidative Stress, desto geringer die antioxidative Kapazität.
  • Endprodukte des Oxidativen Stresses, wie Malondialdehyd (MDA), oxidiertes LDL (ox-LDL) oder 8-Hydroxy-2-Desoxyguanosin (OHDG) sind generell aussagekräftiger als Enzyme, da sie kaum Schwankungen unterliegen.
  • Ist die Aktivität eines Enzyms zu niedrig, sollten seine Kofaktoren (Spurenelemente) kontrolliert werden. Darüber hinaus sind Substrate der Redox-Reaktionen, z. B. die beiden Vitamine C und E zu bestimmen.

Je nach interessierendem Feld, auf dem der Therapeut/die Therapeutin die Hauptgefährdung der Patienten sieht, sind verschiedene Parameter sinnvoll.


Patienten mit erhöhtem Herz-/Kreislaufrisiko

Marker der Fettsäureverbrennung (Lipidperoxidation) und des Fettstoffwechsels

  • Malondialdehyd(MDA)
  • oxidiertes LDL (ox-LDL)

Patienten mit erhöhtem Krebsrisiko

Marker der Nukleinsäure-Oxidation, die im Zellkern, insbesondere aber in den Kraftanlagen der Zelle (Mitochondrien) stattfindet

  • 8-Hydroxy-2-Desoxyguanosin (OHDG)

Und Marker des nitrosativen Stresses

  • 3-Nitrotyrosin
  • Arginin
  • Citrullin/g Kreatinin

Patienten, die rauchen oder auf sonst einem oder mehreren Feldern in ihrer Lebensführung gravierendes Fehlverhalten zeigen, würde ich als Therapeut raten, das Geld für solche Tests zu sparen und das zu tun, was wissenschaftlich einwandfrei erwiesen ist:

Nichtrauchen, Normalgewicht halten, sich bewegen (Ausdauer-, Kraft- und Koordinationssport) und an die eigene Konstitution angepasst vernünftig ernähren sind neben den Prinzipien der Ordnungstherapie die aussichtsreichsten Maßnahmen, um mit der höchsten Wahrscheinlichkeit relativ gesund relativ alt werden zu können.

Will man bei Menschen mit einigermaßen vernünftiger Lebensweise einen zusätzlichen Einblick in die Versorgung mit möglicherweise gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen aus der Nahrung, insbesondere wenn diese Menschen Erbfaktoren mit erhöhtem Gesundheitsrisiko tragen, dann ist gegen folgende Marker nichts einzuwenden. Sie sollten nicht als absolut und sicher wissenschaftlich geklärt beworben, sondern als mögliche Hinweise eingestuft werden.

Marker der antioxidativen Kapazität

  • Mitochondrien-Funktions-Test: Analyse der Mitochondrienmembran, um den Schädigungsgrad festzustellen
  • Glutathion: ist das wichtigste Antioxidans. Reduziert Lipidhydro-Peroxide mit Hilfe der Glutathionperoxidase(GPX).
  • Glutathion-Peroxidase (GPX): Kofaktor der GPX ist Selen. Selen ist für die Redox-Reaktionen das Elektronen-Reservoir.
  • Ubichinon (Coenzym-Q10)
  • Superoxid-Dismutase (SOD)
  • Vitamin C und Vitamin E
  • Kofaktoren (Redoxfaktoren): Kupfer, Zink, Mangan und Selen

Therapeutische Maßnahmen bei Oxidativem Stress

Wir benötigen freie Radikale für die Immunabwehr, für die Regulation der Durchblutung (Gefäßerweiterung) und für die Muskelversorgung.

Ziel ist je nach Körperzustand, Situation, Alter und Belastungen die richtige Balance zwischen anti- und prooxidativen Substanzen.

Auf welchem Level diese liegt und wie dies messbar wäre, ist jedoch noch nicht klar und individuell möglicherweise höchst unterschiedlich. Kann hier mangels wissenschaftlicher Klarheit „der gesunde Menschenverstand“ weiterhelfen?

Der Körper selbst verfügt über Antioxidantien beziehungsweise Radikalenschutzstoffe, also durchaus über eigene Schutzmechanismen.

Wir führen uns, zum Beispiel über pflanzliche Kost, Obst und Gemüse, zum Beispiel auch mit Hopfen im Bier, reichlich Polyphenole und Gerbstoffe (Tannine) zu.

Individuelle Lebens- und Ernährungsweise

Jahrhunderte alte, oft noch ältere Rezepte der Menschheit gegen fehlendes Wohlbefinden? Können wir nicht sogar aus der Tatsache, dass kulturelle Errungenschaften sich lange Zeit gehalten haben, schließen, dass diese nützlich, sinnvoll, gesund sind neben ihrem Genussfaktor? Sind Ernährungsgewohnheiten verschiedener Menschentypen, Kulturen, Individuen nicht teilweise Adaptationen an eine hochkomplexe Gemengelage aus Genen, Epigenetik, Organ-, Umwelt- und Belastungsfaktoren?

Die Naturheilkunde sieht dies schon lange so und empfiehlt typenadaptierte Lebens-, Ernährungs- und Gesundungsweisen. Es hat sich in meiner Arzt-Praxis bewährt, therapeutische Maßnahmen „anzutesten“ auf ihre Wirkung. Die beobachtbare Reaktion, das unterschiedlich gute Ansprechen auf verschiedene Methoden und Wirkfaktoren lassen die erfahrene TherapeutIn nach und nach, teilweise intuitiv, erfassen, wie Patienten reagieren, welche Heilungstypen sie sind.

Lebensmittel mit antioxidativer Wirkung

Körpereigene Antioxidantien

Im Körper gibt es jede Menge natürliche Antioxidantien, die größte Kapazität haben die körpereigenen Substanzen Cholesterin und Harnsäure. Auch Stoffe wie die Gamma-Glutamyl-Transferase (gGT) zeigen einerseits oxidativen Stress an, wirken aber auch als Radikalenfänger.

Antioxidantien in der Nahrung

Aber auch Nahrungsbestandteile wirken als Regulatoren.

Kaffee, besonders mit Milch versetzt, hat eine insgesamt höchst positive Schutzwirkung vor Krebs und vor diversen Erkrankungen. Dabei ist auch Koffein wichtig beim Schutz vor Krebs und erhöht zusätzliche den Grundumsatz, was günstig für das Körpergewicht ist.

Koffein hemmt das Enzym, das die Apoptose, den Zelltod geschädigter Zellen, hemmt. Das Risiko für Hirntumoren nimmt um bis zu 70 % ab, das Risiko für Uterus-/Mund- und Rachenkrebs nimmt 10 % pro Tasse pro Tag ab. Der Cholesterin-, Harnsäure- und Eisenspiegel (alle drei auch oxidativ wirksam, Cholesterin und Harnsäure aber auch teils schützend) nimmt ab, das Parkinson-, Demenz-, Herz-Kreislauf-Risiko wird reduziert, Entzündungsaktivität und oxidativer Stress werden besonders durch Flavonoide wie die Caffeoylsäure herabgesetzt.

Die Balance halten

Halten Sie die Balance

Wie meist in der Biologie läuft die am besten mit Gesundheit und Leben vereinbare Variante auf eine Balance pro- und antiinflammatorischer (entzündungsfördernd und -hemmend) Faktoren hinaus.

Unser Körper ist seit Jahrmillionen adaptiert an die Zufuhr von sekundären Pflanzeninhaltsstoffen, die in normalen Dosen eine gewisse antioxidative Potenz haben, ohne zu viele Radikale zu beseitigen. Bei vermehrtem Entstehen von Radikalen (Infektionen, körperliche, seelische Belastung, UV-Strahlung, Verdauung etc.) werden proportional mehr Radikale abgefangen. Es findet also ein automatischer Ausgleich im Stoffwechsel statt.

Häufig haben wir auch instinktiv ein erhöhtes Bedürfnis nach Radikalenfängern, wenn wir mehr davon brauchen. Zum Beispiel „schreit“ der Organismus nach sportlicher Höchstleistung nach Früchten, Säften unter anderem Quellen von natürlichen Entzündungshemmern und Muskelregenerierern.

Bezweifelt werden kann der Sinn von unphysiologischen hohen Dosen an „Antioxidantien“ wie hohen Dosen Vitamin A, C, E, L-Arginin uvam. Schon die Gabe hoher Dosen isolierten Betacarotens hatte bei Rauchern krebsfördernde Wirkung. Ebenso schadet Vitamin E in Dosen über 400 I.E. bei Patienten mit erhöhtem Gefäßrisiko eher als dass es nutzt („Betakarotin bei Rauchern erhöht Lungenkrebsrisiko“ a-t 2003; 34: 100-2 und „Vitamin E ab 400 IE/d erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“ (Metaanalyse a-t 2004; 35: 141-2).

Das Geheimnis scheint eine Annäherung an Zusammensetzungen natürlicher Nahrung zu sein. Es nutzen wahrscheinlich eher Cocktails, die den Bedingungen guter, ausgewogener, abwechslungsreicher Nahrung nahe kommen. Also frische, möglichst unter Sauerstoff-Abschluss gepresste Säfte, gut verträgliche Rohkost in verdaubaren, individuell verträglichen Mengen, Obst- und Gemüse-Konzentrate und nach traditionellen Verfahren hergestellte Nahrungsmittel wie Sauerkraut, Trockenfrüchte und andere bewährte haltbare Nahrungsmittel.

Was sich seit Jahrtausenden hält, hat meist Vorteile für das Überleben der Menschen, zum Beispiel auch die milchsaure Gärung.

Oxidativer Stress und Antioxidantien im Alltag

Krankheitsrelevante Quellen von oxidativem Stress ausschalten

Neueste wissenschaftliche Ergebnisse weisen eher in die Richtung, dass gezielt die krankheitsrelevanten Quellen von oxidativem Stress ausgeschaltet werden müssen. Danach ist es nicht sinnvoll, oxidativen Stress ungezielt zu bekämpfen, da er ja auch nötig und nützlich sein kann. Dazu muss man aber die Risiken von Patienten genau kennen und wissen wie man gezielt freie Radikale in bestimmten Körperregionen, Zellen etc. bekämpfen kann. Also noch Zukunftsmusik.

Ginkgo-Präparate (z.B. Tebonin) können den oxidativen Stress und Mitochondrienfehlfunktionen (Störung der Energieversorgung in den Zellen) deutlich verbessern. Damit gelingt es, insbesondere bei frühem Einsatz von Ginkgo, die Entwicklung einer Alzheimer-Erkrankung zu verzögern oder unter Umständen sogar aufzuhalten. Es kommt zudem zu einer Besserung der Dopamin- und Acetylcholin-Freisetzung (zwei wichtige Botenstoffe im Hirn) und der Fähigkeit des Hirns zur Ausbildung neuer Nervenzellverbindungen.

Nach einer Übersicht des Arzneitelegramms erlaubt Glutathion, dessen Konzentration durch Ganzzellextrakte bestimmt wird, keinen Rückschluss, ob Zellen oxidativem Stress ausgesetzt sind oder nicht. Es ist auch nicht mehr möglich, die pauschale Behauptung aufrecht zu erhalten, dass schädliche Oxidantien den Altersprozess beschleunigen. In Studien mit Einzelstoffen blieb der Nachweis der erhofften Wirkungen von Antioxidantien bisher aus. Vitamin E in einer Dosis höher als 400IE pro Tag erhöht das Risiko für Prostatakarzinom, für Herz-Kreislauferkrankungen und (Blutungs-) Schlaganfall, Betakarotin steigert bei Rauchern die Lungenkrebsrate und erhöht die Gesamtsterblichkeit. Hochdosierte Antioxidantien-Präparate verschlechtern das Ansprechen von Krebspatienten auf Bestrahlungen und verkürzen ihre Überlebenszeit.

Die lange verachtete Kombi Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12 bei erhöhtem Homozystein jedoch hat, zumindest die Folsäure, tatsächlich erhebliche positive Effekte bei Patienten mit einem Mangel an diesen Stoffen (und damit erhöhtem Homocystein), wie ein große chinesische Studie 2017 bewies.

Bei aktuell nicht valider Diagnostik des oxidativen Stresses und bisher empirisch-intuitiver Therapie bleibt es spannend beim Für und Wider von antioxidativen Maßnahmen durch Phytopharmaka, Lebensweise, Ernährung und Nahrungsergänzung, ob bei oxidativem Stress oder allgemein in der Prävention.

Kritikpunkte am Konzept "Oxidativer Stress"

Kritikpunkte

In einem Interview zum Thema „Antioxidantien: Zellen rosten nicht“ im Ärzteforum „DocCheck“ (erschienen am 10.01.2012, das E. Lederer mit PD Tobias Dick führte, der seit März 2003 die Boveri-Nachwuchsgruppe Redoxregulation am DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum) in Heidelberg leitet) nehmen die Interviewpartner das Konzept auf’s Korn:

„Während die moderne Arbeitsseele, von Reizen überflutet, im Burn-out zusammenbricht, stirbt die Körperzelle, von fiesen Sauerstoffradikalen belagert, den oxidativen Stresstod. Nur: Ist das wirklich so? Tobias Dick hat da so seine Zweifel.“

Laut PD Dick ist der Begriff mit „übermäßiger Produktion und Akkumulation reaktiver Sauerstoffverbindungen“ nicht ausreichend definiert, nicht alle reaktiven Sauerstoffverbindungen seien „freie Radikale“, nicht alle dieser Verbindungen schadeten automatisch, es komme auf die genaue chemische Verbindung, u. a. den Aufenthaltsort, an.

„Bestimmte reaktive Sauerstoffverbindungen sind für einen Organismus ausgesprochen wichtig. Sie sind Teil der ganz normalen Physiologie (natürliche Körperfunktion, Anm. BM), insbesondere der Signalketten, die das gesunde Verhalten der Zellen im Körper steuern. Das sollte man schon zur Kenntnis nehmen. Nur weil etwas in extremer Dosierung schädlich ist, ist es noch nicht per se gefährlich und unerwünscht. Auch dürfen wir aus den Experimenten mit UV-Licht nicht schließen, dass eine Erhöhung der Konzentration an Oxidantien generell von Nachteil ist.“

"Der Nachweis von Oxidantien ist bisher nicht sicher genug. Die hoch reaktiven Radikale verändern sich in ultrakurzen Zeiträumen und verschwinden mit der Zerstörung von Gewebe. Beobachtete Gewebeschäden können mit vielen anderen Prozessen zu tun haben, chemische Reagenzien, die zum Nachweis von Oxidantien in Zellkulturen genutzt werden, sind äußerst unspezifisch und können zu falschen Schlüssen verleiten. Nur weil Oxidantien und Radikale mit Zelluntergang zusammen auftreten, sind sie noch nicht deren Ursache."

PD Dick weist hier auf einen häufigen Fehler in der Wissenschaft hin, die Gefahr sog. „Confounder“, d.h., dass gemeinsames Auftreten mit kausaler Beziehung verwechselt wird.

PD Dick hat nun als Erster eine Methode entwickelt, die es ermöglicht, oxidative Prozesse im lebenden Organismus von Fruchtfliegen live zu beobachten. Für bestimmte Oxidantien spezifische Proteinbiosensoren in den Zellen der transgenen Fliegen (Erbgut mit der Information zum Bau der Fluoreszenz-Proteine künstlich in den Zellkern integriert) fluoreszieren messbar, wenn sie mit dem entsprechenden Oxidans in Kontakt kommen.

Wie schon frühere Befunde spricht auch dieser gegen die These, dass, wer mehr Oxidantien anreichert, automatisch früher stirbt. Die klassische Theorie, dass oxidative Schäden zum Altern führen, könnte aber auch einfach falsch sein. Nahrungsergänzungsmitteln und daran gut verdienende Pharmaunternehmen kommen durch erste Ergebnisse der neuen Methode ebenfalls in Bedrängnis: N-Acetyl-Cystein (NAC), in erster Linie ein „Schleimlöser“, wird bisher als ein antioxidativer Wirkstoff angesehen, der auch in Zellkulturuntersuchungen als experimentelles Antioxidans eingesetzt wird und in der Leber z. B. bei Schäden durch Paracetamol die Zellen vor dem Zelltod bewahrt.

Tiere, die über unterschiedliche Zeiträume und in unterschiedlichen Dosierungen mit NAC gefüttert werden, zeigen in keiner Dosierung und in keinem Gewebe eine Verringerung der Oxidantien. Tatsächlich werden in den Mitochondrien der meisten Gewebe als direkte Reaktion auf die NAC-Gabe mehr Oxidantien produziert.

„Was das jetzt bedeutet, wissen wir auch nicht. Aber eines ist deutlich geworden: Wir können ganz offensichtlich nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass eine Verbindung, die prinzipiell ein antioxidatives Potential hat, im lebenden Organismus tatsächlich so wirkt.“

Die paradoxe Wirkung von NAC kann aber auch daran liegen, dass es nur bei oxidativem Stress antioxidativ wirkt, eben z. B. bei einer Vergiftung mit Paracetamol, wo es unbestritten in hohen Dosen (je nach Dosis eingenommenen Paracetamols) die lebensbedrohlich gefährdete Leber und damit das Leben der Patienten retten kann.

PD Dick wird zum Glück auch weiterhin zelluläre Redoxprozesse untersuchen, die u. a. auch für Krebserkrankungen und deren Behandlung von Bedeutung sind. Im Organismus von Mäusen könnten neue Überraschungen auch auf diesem Feld auf uns warten. Vielleicht brauchen wir gerade bei Krebs, der ja häufig auf dem Boden chronischer Entzündungen entsteht, zumindest vorübergehend bis zur Überwindung der Erkrankung viele Radikale und müssen wie bei Infektionen, die vom Körper teilweise durch den Einsatz hochtoxischer Oxidantien (gespeichert in und freigesetzt aus Abwehrzellen) des Organismus gegen bakterielle und weitere Eindringlinge beendet werden, den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.

Neue Erkenntnisse und Fortschritte

Wir werden also weiter nicht um Empirie, Hausmittel und alte Rezepte kommen. Mancher Schatz ist da noch zu heben. Moderne Produkte der Pharmazeutik könnten demgegenüber deutlich im Nachteil sein.

Der biologischen Situation besser angepasst und damit gesundheitsfördernder könnten Nahrungsmittelextrakte mit hohem Anteil an wirksamen sekundären Pflanzenstoffen sein.

Der Mensch nimmt etwa 1,5 g sekundäre Pflanzen-Stoffe pro Tag mit Nahrung auf bei Mischkost. Es gibt etwa 400 Tausend sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, etwa 5-10 Tausend sind in Mischkost enthalten, bekannt sind nur einige 10 Tausend “Radikalen-Fänger”. Problematisch sind die individuellen Entgiftungs- und Stoffwechsel-Systeme in der Leber (CYP-450-Polymorphismen u.a.) und im Körper allgemein.

Wechselwirkungen mit Medikamenten sind verbreitet, z. B. bei Gewürzen: System der P-Glykoproteine (oft synergistisch mit CYP 450-Problemen, bei Johanniskraut u. Cyclosporin z.B.)

Sekundäre Pflanzenschutzstoffe sind niedermolekulare Naturstoffe, die nicht am Primärstoffwechsel (Sauerstoff, Fette, Zucker, Eiweiße) der Pflanze beteiligt sind. Sie stellen die aktiven Wirkstoffe der Arzneipflanzen dar. Obwohl erst etwa 30 % aller höheren Pflanzen phytochemisch untersucht sind, kennt man heute schon zehntausende Sekundärstoffe.

Weitere Einsatzmöglichkeiten für einzelne Nahrungsergänzungsstoffe bzw. Kombinationen könnten sich in Zukunft noch ergeben.

Entscheidend bleiben die natürlichen Lebenssituationen des Alltags, da dort die Komplexität der Realität herrscht und damit doch am ehesten Hinweise auf einen Nutzen erkennbar sind. Es könnte natürlich sein, dass der Nutzen, den man durch Phytopharmaka und bestimmte Nahrungsmittel erreichen kann, wenig oder gar nichts mit Radikalen zu tun hat.

Dies ist aber nicht so wichtig, solange ein Nutzen eintritt. Menschen haben gute Dinge schon oft beim falschen Namen genannt und doch den Nutzen genossen.

Beispiel für den Nutzen von Vitamine & Co, Pflanzeninhaltsstoffen und sekundären Pflanzenstoffen ist der Vitamin-, Spurenelement- und Pflanzencocktail, den viele Milchkühe zur Steigerung der Milchleistung und ihrer Vitalität/Lebenszeit bekommen. Wegen der niedrigen Milchverkaufspreise werden nur Dinge verwendet, die sicht- und messbaren Nutzen brachten: Dem Gras für Kühe werden in den meisten Betrieben mit Erfolg Vitamine, Spurenelemente und Extrakte wie Melasse (Rübenzuckersirup), Rübenschnipsel und anderes zugesetzt, weil es Erfolg bringt in dieser für die Milchkühe stark und dauerhaft belastenden Lebenssituation. Die meisten von uns Menschen leben in ähnlichen Situationen, besonders unter mental-psychischer Dauerbelastung.

Die Diagnostik des oxidativen Stresses ist nicht valide, die Therapie ist bisher empirisch-intuitiv. Ernstzunehmende große Studien, insbesondere Endpunktstudien fehlen noch.

Quellen/Weitere Informationen

Literatur und Links
Literatur:
  1. Vortrag von Dr. med. univ. Kurt Kraus, Ärztlicher Direktor des MVZ Laborzentrums Ettlingen GmbH, Otto-Hahn-Straße18, 76275 Ettlingen zum Thema: Oxidativer/ Nitrosativer Stress - Entstehung und Auswirkungen, Februar 2012.
  2. H.Schilcher, S.Kammerer: Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fischer, 4.Auflage, 2010 Aktualisierungen: www.elsevier.de/978-3-437-55343-1
  3. M.Wink: Handbuch der Arzneipflanzen, WVG, 2004
  4. Interview im Forum „DocCheck“ von E. Lederer mit PD Tobias Dick vom DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum), erschienen im Ärzteforum am 10.01.2012
  5. Hemilä H: Zinc lozenges may shorten the duration of colds: a systematic review, Open Respir Med J. 2011;5:51-8. Epub Jun 23 2011
  6. Metformin gegen die Insulinresistenz bei Diabetes mellitus Typ II bieten Radikalenschutz:Metforminpatienten zeigten gegenüber nicht damit behandelten Diabetikern ein um 38% geringeres Krebsrisiko, auch bei den bei Diabetikern häufigen Brust- und Darmkrebsfällen (Espinoza-Peralta D: Jahrestagung d. amerik. Ges. f. Endokrinologie, , Nat. Inst. für Medizin und Ernährung 2012
  7. Wingler K et al.: Radikale Therapie von Schlaganfällen, Spektrum der Wiss., , S.19-21, 2/2011
  8. China Stroke Primary Prevention Trial [CSPPT]: methodisch einwandfreie, kontrollierte klinische Studie zur Primärprävention des Schlaganfalls durch die Einnahme von Folsäure: Schlaganfall-Risiko (durch Senkung von Homocystein) um bis zu 40% (besonders bei niedrigen Folsäure- Ausgangswerten), auch Sekundärprophylaxe.Und: J Amer Med Assoc 2015 http://jama.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=2205876.
  9. Morgan B et al.: Nature Chem. Biol., publ. online Dez. : DOI:10.1038/NCHEMBIO.1142, 2012
  10. Dick, T., (dkfz): Sicherheitsverwahrung für Oxidantien. Mitteilung Nr. 66 vom 17.12.2012
  11. Albrecht, S.C. et al.: Cell Metab. 2011; 14: 819-29 und dkfz: Oxidativer Stress: harmloser als gedacht? Mitteilung Nr. 65 vom 5.12.2012
  12. arznei-telegramm ; 44: 15: Oxidativer Stress – im Wesentlichen nur ein Laborbefund? 2013
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